| [GAA, Bd. IV, S. 207] ist. Als ich mich mit dem größten Theil des Publicums entfernte, war sie noch nicht da und die Stimmen wurden dünner. Die ihrige war wohl in einigen Scenen zu stark gewesen. Es wurde von ihr oft mehr Geschrei als das halblaute 5Wonne- und Schmerzgefühl eines liebenden Mädchens gegeben. — Juliens Amme kann indeß schwerlich trefflicher dargestellt werden als von Dem. Stephany. Alles Uebertriebene hatte sie vermieden, und das Spaßhafte blieb doch da.10 Die Repräsentanten der sonstigen Rollen thaten ihr Möglichstes, störten nirgend. Auch die Decorationen waren nicht übel, nur haperte es dann und wann mit der Maschinerie. Alles in Allem, so war's eine im Ganzen gelungene Vorstellung, aber das Publicum blieb dennoch ziemlich kalt, und 15das ist eine bessere Kritik über das Stück als sämmtliche Lobserhebungen desselben von Lessing und Schlegel, welche beide keine Weiber kannten. Sichtbar ist Romeo und Julia eine Jugendarbeit Shakspears, mehr voll von Witzeleien und Phrasen als von wahrem Gefühl. Tieck zwar, der in einigen 20seiner neueren Novellen den Shakspeare zu einem selbstgefälligen Theeschwätzer à la Drèsde auf dem Altmarkt verwässert hat, quält sich freilich, auch aus jeder Sylbe seines großen brittischen Clienten (dessen Patron spielen zu können, immer schmeichelhaft ist) mittelst Vorlesungen und Novellen 25allerlei herauszupressen, und vor allem scheint er es in Wort und Schrift auf Romeo und Julia abgesehen zu haben. Unerschöpflich ist er im Lobe dieses Werkes, findet Bedeutungen, Beziehungen und Tiefen daran, welche von keinem anderen sterblichen Wesen bemerkt worden sind. Aber es blökt diesem 30Interpreten ein Haufen zweibeiniger Schaafe nach, weil er nichts von der Sache versteht und ihm nicht nur vorgeblökt, sondern auch vorgelesen wird. Sprechen wir einmal frei über Shakspeares Romeo und Julia und lassen sowohl die günstigen als ungünstigen Vorurtheile 35beiseit, und seyen wir: Wir selbst. Ist hier echte, innige Liebe geschildert? Nein! der Dichter strebte darnach, hat aber nicht einmal in der Julia eines der Mädchenbilder unseres Schiller erreicht, welcher die Geschlechtsneigung veredelt und überall vom Irdischen zum Höheren weis't. — Was 40ist Julia? Ein Straßenmädchen in vornehmen Kleidern. Kein einziger Zug von Bedeutung, als ihre plötzliche Verlieberei |
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