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[GAA, Bd. IV, S. 188]

 


erdichtetes Geschick genommen, aus Marktbudenbildern welscher
Kunsthändler und aus dem König Lear (Gloster und
Edgar) die Herumlauferei mit der Irene, aus dem Macbeth
der halbe Wahnsinn der Antonina, u.s.w.; allein das endlose
5seichte Geschwatz ist von Hrn. Ed. v. Schk. Man könnt's
als Medicin gebrauchen, denn die Personen konnten vor Gerede
kaum sterben. Handschrift Daß ein Dichter die Geschichte frei behandelt,
ist ihm erlaubt. Er muß nur keine Unkenntniß oder
bloße Effectsucherei dabei verrathen. Herr v. Sch. verräth
10beides. Totilas ist ein ostgothischer, kein vandalischer Name,
und daß gar auch die südlich, auf Africa's Küste wohnenden
Vandalen mit den Alanen, nördlich aus der Bulgarei, Handschrift auf Byzanz
rücken, war ein leicht vermeidlicher Unsinn. Schlimmer
noch, daß Ed. v. S. seine s. g. Romantik dem berüchtigten
15alten Griechenhof und dessen Mitgliedern und Unterthanen
unbarmherzig angeschmiert hat. Dieser Kaiserhof war
der niederträchtigste der Welt und bestand aus nichts als
Verrath, Mord und Unzucht, und unter allen Weibsbildern,
Handschrift welche er aufweis't, gehören Theodora und Antonina zu den
20infamsten. Die erstere, Justinians Gemahlin, hat der Verf.
weislich aus dem Spiel gelassen, weil sie vermuthlich ihm zu
schlimm war, und die zweite sucht er mit mütterlichen Gefühlen
zu verherrlichen, und weiß nicht, daß die viel kräftiger
und edler sind, um erst nach 18 Jahren (während welcher eine
25vergnügte Ehe geführt Handschrift ist,) loszubrechen und dann auf Antrieb
einiger Schurken Rache zu suchen. War der Verf. ein
Dichter, so mußte er das arme Weib (falls es erlaubt ist seine
Fratze so zu nennen) anders, vielleicht mit unbewußter Liebe
zu einem der betrügerischen Einflüsterer, an die Rache ketten.

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  Statt eines historischen, oder, wie er es nennt, eines romantischen
Handschrift Trauerspiels, hat uns der geniale Eduard ein Familiengemälde
geliefert, welches schlecht ist, indem es weder
für die byzantinischen, noch für die jetzigen Zeiten paßt.
All die Sachen, welche Diderot und Iffland besser in ihren
35Hausvätern, Jägern u. dgl. entwickelt und zu theatralischen
Verknüpfungen benutzt haben, sind auch hier, und sonstige
Gewürze fehlen eben so wenig. Shakspeare läßt den Gloster
durch seinen Sohn Edgar begleiten. E. v. Sch. thut mehr
und verpuppt Handschrift Belisars Tochter in Mannstracht. Weiß er denn
40nicht, daß der Inhalt des Mährchens, wonach ein armer fremder
Knabe, bewegt von der Größe des Gefallenen, freiwillig