Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Christian von Meien (Detmold)
Brief
Vorangehend:
Nachfolgend:
Ewr Hochwohlgeboren gebe ich, da eine Veränderung der präsentirten Proceßtabelle 30mir wohl nicht gestattet wird, die von Ihnen befohlene Erläuterung der Nummer 7 in Nachfolgendem: ein sinnentstellender Schreibfehler ist in dieser Nummer nicht enthalten, wohl aber mag das Material der Sache
[GAA, Bd. V, S. 144]
sich nicht vollkommen daraus ergeben, welches aber, da die Proceß-Tabellen, wenigstens nach Analogie der früheren, hierbei nur auf den Hauptpunct (fast nur auf die Rubrik: „Gegenstand“) sich beschränkten und vor allem 5zur Controlle des formellen Proceßganges schienen dienen zu sollen, von mir ebenfalls nur ganz kurz angedeutet ist. Die Tabellen würden bei dem Gegentheile gewiß sehr anschwellen. Dieß zu meiner Entschuldigung, nicht zur Rechtfertigung. 10 Die qu. Sachlage ad nr. 7 ist aber diese: Kläger hat den Streicher pto 3 rthlr. 4 gr. verklagt, welche Schuld die Frau des Streicher, noch damals bei Klägern durch Waarenaushebung gemacht haben soll, als sie bei 15ihren Pflegeeltern Sturhahn sich aufhielt. Kläger behauptete in eventum auch noch, daß er mindestens darthun könne, die Frau des Beklagten habe die Schuld späterhin, vor Eingehung der Ehe, als eigene unternommen. Daß Kläger infolge dieser Angaben gegen den Verklagten wegen der 20in die Ehe gebrachten Schulden der Ehefrau gerichtlich agiren konnte, leidet laut § 12 der GGO. gar keinen Zweifel. (Auch bei der Sache der Wittwe Meier ./. Uhmeier ist in dieser Hinsicht durch Schuld der Wtwe Uhmeier ein factisches Mißverständniß eingetreten, welches die Wtwe 25Meier sowohl verhindern konnte als auf einem unrich- tigen Wege zu benutzen scheint.) Hierauf wurde Instructionstermin auf den 28st vor. Mon. angesetzt, wobei lis dahin contestirt ward: daß Verklagter durchaus verneinte, seine Ehefrau habe, als sie noch bei ihren Pflegeeltern 30gewesen, für eigene Rechnung Waaren ausgehoben oder späterhin solche Schuld übernommen. Wenn solche Waaren-Aushebung geschehen sey, so habe sie dieß für ihre Pflegeeltern gethan, und über die hier qu.[ästionirte] Schuld habe Kläger an diese Pflegeeltern bereits einmal Rechnung 35ausgestellt. Dieß letztere gab Kläger replicando zu, behauptete aber, es sey nur formell geschehen und könne er mit Handelsbuch, mit Briefen pp erweisen, daß die Ehefrau Streicher sowohl ab initio die Schuld für ihre eigene Rechnung 40contrahirt, als dieselbe überdem späterhin übernommen habe. — Infolge dieses Instructionstermines ist der Beweis
[GAA, Bd. V, S. 145]
am 28st März so gestellt als in der Proceßtabelle angegeben.
Ewr Hochwohlgeboren bitte ich nöthigenfalls diese Erläuterung zur Proceß-Tabelle legen zu lassen, oder wenn 5Sie noch Erinnerungen hätten, mir gütigst zu bestimmen, wann ich Sie zur Vernehmung oder Erledigung derselben mit meinem Besuche beschweren darf. Da einmal hier von der Proceß-Tabelle die Rede ist, so bemerke ich zur Untersuchung gegen den Advocaten 10Stein, daß derselbe heute mit seiner Deduction nicht eingekommen ist, also nunmehr ex officio erkannt werden wird. Sowohl weil die ganze Sachlage die Mittheilung ad deducendum erlaubte und vielleicht erheischte, als auch weil ich unter anderen im Gönner dieses theoretisch bestätigt 15fand, endlich auch um zwei Advocaten (die hier partes sind) die Möglichkeit abzuschneiden, künftig in leeren Formalien -Anfechtungen die Sache auszudehnen, hielt ich nach langer Erwägung die Mittheilung ad deducendum binnen kurzer Frist für das Sicherste und Beste.
Die Proceßtabelle ist
wieder angebogen.
Ich verharre voll Hochachtung
Detmold den 7t Apr.
Ewr Hochwohlgeboren
1827
gehorsamster Grabbe.
[Adresse:] Sr Hochwohlgeboren dem Herrn RegierungsRath 25von Meien allhier.