Nr. 128, siehe GAA, Bd. V, S. 170 | 26. Juli 1827 | | Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Georg Ferdinand Kettembeil (Frankfurt a. M.) | Brief | | | | Vorangehend: | Nachfolgend: |
| Lieber Freund oft bedenke ich mich, ich habe es gethan und statt mit meinem Aufsatz über die Shakspearo-Manie hinterm Berge zu halten, übersende ich ihn, heiß wie er aus der Pfanne 25kommt, anbei. Jedoch dabei die Dir und mir vortheilhafte Bitte, ihn so wie er ist hinter den 2t Theil unserer Dramen drucken zu lassen, und auf den Titelblättern: „Dramatische Dichtungen von Grabbe. Nebst einer Abhandlung über die Shakspearomanie.“ zu setzen. Du wirst finden, daß ich auch 30hinsichtlich Tiecks im Vorworte die nöthigen Clauseln getroffen, so wie auch pto meiner selbst und meiner Stücke. Etwas kritischen Ruf und ohne Zweifel Eintritt in die kritischen Journale schafft mir die Debatte. In jetziger Zeit ist ihre Tendenz etwas Unerhörtes. Künftige „Shakspeare-Erläu- 35terungen“ habe ich angedeutet, um auf den Zahn zu fühlen, ob sich mir und Dir hier nicht eine neue Speculation eröffnet. Daß ich Shakspeare und seine Anhänger kenne, ergibt sich wohl deutlich, — Malicen, Witze fehlen auch nicht ganz darin, obwohl der Endzweck des Aufsatzes eine etwas ruhig [GAA, Bd. V, S. 171] scheinende Darstellung erfoderte. Zu meinen Stücken verhält sich derselbe ganz curios, und sollte den Nichtkenner verwirrt machen. Nicht allein, mit den Stücken zugleich gedruckt, besonders da ich fürchte, daß der 2t Band ohnehin 5dünner als der erste werden wird; lieber sehe ich das Ende dicker. Willst Du den Aufsatz lieber „über die Bewunderung des Shakspeare“ überschrieben sehen, so thue das. Ich sage, er sey vor „mehreren Jahren gemacht“. Das hat seine Gründe. Du kennst sie gewiß. In der Hauptvorrede 10müßte es am Schlusse noch heißen: — Betreffs der Abhandlung über die Shakspearo-Manie besagt das derselben vorgesetzte besondere Vorwort das Nöthige. — Freund, ich konnte in dieser Manie manches nur andeuten, 15nicht alles sagen; darum soll es auch nicht fehlen, wenn man mich zu Mehrerem zwingt. Die Handschrift ist schlecht, weil ich kein Concept gemacht; schlimmsten Falls mußt Du sie für den Setzer copiren lassen. Jetzt halte ich auch nicht mehr gut, die Journale mit vorläufigen 20Proben anzufüllen. Der Gesammteindruck entscheide und wird entscheiden, jetzt ist sogar Kritik dabei. Vorläufigkeiten störten am Ende nur. Keine Glieder, das Ganze! Zur Übersendung an Müllner, den ich, nicht sine studio, nunmehro ein wenig gelobt habe, an Tieck, so wie an die 25verzweifeltsten kritischen Institute, und wären es grade welche, die ich angegriffen, bitte ich mir künftig einige Exemplare (wenn es Dir gefällt) aus, oder doch die Erlaubniß, dazu die Briefe zu schreiben. In Briefen habe ich bei solchen Leuten Force. 30 Da Du eine so lange Abhandlung erhältst, muß ich den Brief wohl kürzen, und ich bin | | Dein | Detmold den 26st Juli 1827. | | alter Freund Grabbe. | [Adresse:] Dem Herrn Buchhändler Kettenbeil Wohlgeboren. |
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128.
H: Doppelbl. in 40; 2 S., Adresse auf S. 4.
Auf S. 4 Vermerk des Empfängers: 1827 Grabbe in Detmold
den 26. Juli.
F: GrA
D: WBl IV 401—402, als Nr 6.
S. 171, Z. 23: sine studio: ohne Vorliebe (nach dem 'sine ira et
studio' in Tacitus' „Annalen“ I,1).
S. 172, Z. 9—13: Herr Lasky: Karl Theophil Ernst L., gebürtig
aus Berutstadt in Schlesien, war am 19. Oktober 1819 als Student
der Kameralia an der Universität zu Jena immatrikuliert worden.
Arnold Ruge hat L. dort bei der Feier des 18. Juni 1821 kennen
gelernt, schildert ihn in seinen Lebenserinnerungen „Aus früherer
Zeit“ (Bd 2, Berlin 1862, S. 47) als einen „äußerst ruhigen und
gelassenen, stark gebauten blonden jungen Mann“, teilt auch (S. 47
bis 50) die Rede ist, mit der sich L. von den Kommilitonen vor
seinem Abgange nach Griechenland verabschiedet hat, und bestätigt,
daß er dort geblieben ist.