Nr. 152, siehe GAA, Bd. V, S. 211 | 20. Januar 1828 | | Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Georg Ferdinand Kettembeil (Frankfurt a. M.) | Brief | | | | Vorangehend: | Nachfolgend: |
| Amice, in nr. 3 des vielgelesenen (wenigstens in Westphalen) westphälischen Anzeigers aus Hamm (Schulz) und Münster vom 9t Jan. c. steht eine Recension meiner oeuvres von Rousseau so 30tadelnd und so lobend als je eine geschrieben. Ich bin so „infernalisch“ als „ein großer Dichter, dessen Geburtsort man durch den Anzeiger zu erfahren wünscht“, ich bin eben so gemein als groß, etwas Aehnliches als Gothland gibt es unter den Nationen nicht pp. Ich glaube Du beziehst dieses Journal 35in Frankfurt auch, sonst theile ich Dir Abschrift mit. Rousseau [GAA, Bd. V, S. 212] kenn' ich nicht persönlich. Weil seine Recension zugleich heftig tadelt, ist sie mir fast lieber als die im Socio. Wir machen Glück. Hr. Pustkuchen continuirt in seinem eigenen Tone und versteht meine Sachen weit weniger als Rousseau obgleich ich 5ihm, er mir caressirt. Ich Christlicher! Er vergleicht den Gothland bereits mit Yngurd, dieser soll besonnener, Gothland mehr voll Dichterfeuers seyn, auch nennt er mich klüger als Goethe; warum? — Darum: in Berdoa zwar den Teufel, aber doch nicht unter rechten Namen auftreten zu lassen. Übrigens 10ist sein Betragen gegen mich doch ehrenwerth. Auf meinem Tische steht ein Bierglas. — Allmählig wird es mein Ernst, ferner etwas zu leisten, besonders durch ein Stück, welches sowohl theatralisch, correct ist, als auch alles was ich bis jetzt dem Publico in einzelnen Dramen von meiner resp. Kraft 15gezeigt, überbietet, und da finde ich nach reiflichem Überlegen nichts geeigneter als Faust und Don Juan, beide im Kampf, Leporello die Komik, der Teufel (unter verstecktem Namen) die Ironie, — das gibt was. Es ist mir nunmehr, da ich Auditeur und Lieutenant (letzteres jedoch nur wegen des 20Gewehrpräsentirens im Range, nicht im Titel, weswegen ich bitte mich nur „Auditeur“ zu couvertiren) geworden bin, also einen etwas sicheren Boden habe, vielleicht die Periode meines Lebens aufgegangen, in der ich grade weil ich am ruhigsten bin, das Größte und Feurigste leisten kann. Ich 25glaube der Aetna hat am meisten Ruhe, wenn er das meiste Feuer speit. Das merke ich schon überall, wir, der eventuelle „Messias der deutschen Bühne“ (Rousseaus Worte) wollen die Paviane (selbst Mr. Raupach) als schändliche Heiden verjagen. Satan, Du schreibst mir zu wenig (Satan ist ein Compliment, 30denn die unschuldigen Kinder kann ich nicht ausstehen, nur der Satan ist fromm gewesen, sonst wäre er nicht so ungeheuer böse, und Bosheit ist für den Vernünftigen nichts als Nothwendigkeit, sagt Kant in seinen nicht hinterlassenen Schriften). Die Gespräche in Detmold sind mir all zu interessant, 35als daß ich Deine Briefe missen möchte. Die Leute schätzen mich unendlich, die Augen gehen auf wie die Pforten des Himmels bei der Sündfluth, aber unser Werk ist manchem doch wohl noch immer zu theuer (für 2 pf hat man jetzt allerliebste Bücher), was wie Hr. Pichler sagt, schändlich, 40jedoch von Dir klug berechnet sey. Und dabei bleibe ich wahrhaftig auch. [GAA, Bd. V, S. 213] Nun sag' mal um des Himmelswillen, willst Du noch nicht heirathen? Ich bin jetzt verlobt, das heißt, mit Keiner. Was soll Don Juan dem Geist, der ihn zur Hölle ruft, präsentiren? Sallat, Endivien, Gurken und Kalbsstoß? Auch da muß noch 5Ironie stecken. Soll er die Polizei rufen lassen? — Das Größte meines Lebens werden aber doch noch einmal die Hohenst. pp Sich und die Nation in 6—8 Dramen zu verherrlichen. Und welcher Nationalstoff! Kein Volk hat einen auch nur etwas gleich großen. Und wie soll fast jeder irgend bedeutende 10deutsche Fleck verherrlicht werden; im Sonnenschein soll unser ganze deutsche Süden liegen, Adler über Tyrols Bergen schweben, und die See um Henrichs des Löwen Staaten brausen, wie eine Löwenmähne. Herr Gott! Ich bin Dein treuer alter 15 sehr schiefer Grabbe. (Schreib bald, Freund) Detmold den 20st Jan. 1828. [Adresse:] An die Hermannsche Buchhandlung (Herrn Buchhändler Kettembeil) Wohllöblich in Frankfurt am Main. 20Frei. |
| | Briefauswahl | | | Briefe von Christian Dietrich Grabbe | | | Briefe an Christian Dietrich Grabbe | | | Briefe über Christian Dietrich Grabbe | | | | Nach Absendern | | | | A | Friedrich Althof Nr. 408, 12. Juli 1833 | B | Obristleutnant Friedrich Adolph Böger — Freimeister F. Brauns Nr. 308, 24. May 1831 | C | Heinrich Christian Albrecht Clemen Nr. 489, 13. Dezember 1834 — Christian Gottlieb Clostermeier | E | Wilhelm Arnold Eschenburg | F | Fürstlich Lippische Regierung — Fürstlich Lippisches Konsistorium — Fürstlich Lippisches Militärgericht | G | Adolph Henrich Grabbe — Louise Christiane Grabbe — Karl Friedrich Simon Groskopf Nr. 456, 28. April 1834 | I | Karl Leberecht Immermann | K | Henriette Kehde Nr. 401, 25. Juni 1833 — Georg Ferdinand Kettembeil Nr. 120, 28. April 1827 | M | Magistrat Nr. 393, 30. May 1833 — Christian von Meien | P | Fürstin Paulina zur Lippe Nr. 17, 07. Februar 1818 — Wilhelm Piderit Nr. 412, 10. Oktober 1833 | R | Ludwig Rötteken Nr. 414, 14. Oktober 1833 | S | Catharine Sagel Nr. 381, 25. März 1833 — Carl Georg Schreiner — Jakob Stang — Wilhelm Christian Ludwig Stedtfeld Nr. 303, 10. May 1831 |
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