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Nr. 194, siehe GAA, Bd. V, S. 244thumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Georg Ferdinand Kettembeil (Frankfurt a. M.)
Brief

                    Handschrift Lieber Kettembeil,

  Dieser Brief wird in großer Eile geschrieben und werd' ich
ihn nicht wieder durchlesen können, um Schreibfehler zu verbessern.


25  Ist Leipzig das Alte geblieben, so sind wir es auch geblieben.
Das ist ein Trost. Die Clique des Mr. Döring (?), der,
wenn ich mich nicht sehr irre, als ein studentischer Alfanzer
einmal in der Jenaer Litteraturzeitung durchgezogen ist, des
Saphir, Seller (mir unbekannt,) beruhe auf sich; kennen müßten
30sie mich aber denn doch aus Abendzeitung und Merkur
mindstens. Es ist fatal, daß ich nicht in einer größeren Stadt
wohne; wär' ich z. B. in Leipzig, so machte ich mich (wie

[GAA, Bd. V, S. 245]

 


etwa in Berlin) in so eine Cotterie hinein, und beherrschte
und gebrauchte sie.

  Master Wendt ist schon besser; eps rar ist er auch nicht.
Früher hatte er vor mir respct. Neugierig bin ich, wo seine
5Kritik auftaucht. Im Morgenblatt vielleicht? Er correspondirt
mit der Person. Sieht er nicht aus wie ein Schusterpfriemen,
oben mit schwarzem Pech?

  Der Elegante, Methusalem, ist zu beleidigt, als daß ein
Gespräch mit ihm viel fruchten können; ich glaube, er kriecht
10wie eine Schnecke in seine Schaale zurück und schweigt. Krug
— nun — Krug ist eitel und versteckts hinter Protestantismus.
Der ist eitel für ihn. —

  Daß Recensionen seit einiger Zeit stille liegen, ist fatal,
indeß Handschrift wir können im Grunde doch zufrieden seyn, denn erstlich
15haben wir binnen 4 Monaten doch circa 7 bis 8 Stück
erhalten, und fehlen in den ästhetischen Journalen, die mehr
gelesen werden, nur Elegante, Freimüthige (aus sehr guten
Gründen) und Morgenblatt, 2tens sind sie sämmtlich ausgezeichnet,
3tens ist das mehr Glück als Milton oder Hume gehabt,
204tens ist mein Werk schwer zu verdauen, ehe man ein
Urtheil darüber auskackt (in Berlin theilten sie sich ja zu 3
und Pustkuchen scheint zu meinen, es koste 2 Jahr) 5tens
6tens pp.

  Ich wollt' Halle ginge los. Der Kunz, ich weiß nicht, was
25ihm fehlt. Er ist faul oder hat bei den Journalen keinen
Credit. — Mit den bisherigen Hunden mag ich nicht kämpfen,
(wär ich in Berlin, ich thät's), sonst sollte mindestens Kriegsgeschrei
die Journale füllen. Ich mag aber nicht, und zwar
in Hoffnung wir dringen doch durch. Unsere Geschichte ist
30zu toll, und nun der Don Juan —

  Der soll auffrischen, und vorzüglich nützt der Name Handschrift zweier
bekannter Personen: Don Juan und Faust. Immer doch müssen
in Homburg meine Sachen Effect gemacht haben, da man
12 Exemplare contra resp.[ectum] 1. 3. 4 2. 6. von dem
35meinigen bestellt. Aber die Ankündigung? Vetter, ich billige
sie im Grunde, obgleich schweren Herzens. Das Thier von
Tragödie wird (si diis placet) Ende Juli oder Anfangs August
fertig. Da ginge es denn noch an. Die verwünschte Donna
Anna. Den Satan hab' ich.

40  Wie mit der Iris?

  Daß theatralische Sachen von der Bühne kräftiger wirken

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ist gewiß; indeß Immermann (der jetzt ein schlechter Dichter
geworden: Trauersp. in Tyrol) existirt auch ohne Bühne, und
selbst das Hauptjournal seiner Buchhandlung (Rh. W. Anzeiger)
erhebt mich als Messias über ihn.

5  Auf den D.J.u.F. die noch theatralischeren und patriotischeren
Hohenstaufen — wir wollen alles in Stücken schlagen.


  Antworte mir wo möglich vor, sonst während Deiner Reise;
und schick' mir jede Kritik, so wie Du sie bekommst; sie
10machen mir einen großen Spaß, auch beim Arbeiten an Don
Juan und Faust.

                                
Grabbe

  Detmold, d. 24st Mai 1828

15  [Adresse:] Handschrift An die Hermannsche Buchhandlung (Hrn. Buchhändler
Kettembeil) Wohllöblich in Frankfurt am Main. Frei.