Nr. 264, siehe GAA, Bd. V, S. 299 | 23. März 1830 | | Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Karl Gottfried Theodor Winkler (Dresden) | Brief | | | | Vorangehend: | Nachfolgend: keine |
| Hochgeehrtester Herr Hofrath! Für Ihr gütiges Schreiben meinen Dank. Auch Hrn. Böttiger bitte ich Gruß und Wunsch zur Heilung von mir zu übermachen. — Tieck —? Nein, ich glaube, er ist mir nicht ganz 25hold mehr. Ich war ihm früher wohl zu eigensinnig. Gott hat mich aber gebessert, oder ich selbst. Mein zerfezter Arm heilt doch jetzt etwas. Ich behalte ihn doch, wenn auch vielleicht gelähmt. — Lyrisches oder Erzählendes werde ich schwerlich der Abendzeitung liefern können, 30da es bei mir andere Natur geworden, alle meine Kräfte auf Einen Punct immer zu richten, und dieser Punct ist grade jetzt das Drama. Lieber ein Herkules als 1_000_000 Lilliputer. Und nun ein Brief beian, vom Schauspieler Pichler junior. Es ist meine Passion, Leuten, die sich mit Unrecht von mir 35beleidigt glauben, jede Gefälligkeit zu thun. Pichlers Vater glaubte es einstmals. Sie sind, wie ich glaube, zugleich Secretaire des Königl. Theaters, oder haben doch sonst Einfluß auf dasselbe. Pichler jun. bittet mich, den eingeschlossenen Brief an Sie zu besorgen. Können Sie ihm helfen, bitte ich, es zu [GAA, Bd. V, S. 300] thun. Er ist ein tüchtiger Komiker, und dabei auch in ernsthaften Rollen, sobald sie — ich möchte sagen etwas Portraitmäßiges haben — recht brav. Sein Shylock ist der reine Devrientsche, was in Dresden, wo Werdy ihn ganz anders als 5Devrient spielt, vielleicht zur Abwechslung gefällt. Recht befriedigt hat mich noch nie ein Schauspieler, weder Eßlair noch Devrient, darum ist mein Lob eines Einzelnen dieser Classe gewiß unverdächtig. | | Mit Hochachtung und Liebe | Erhalte ich wohl zwei | | Ewr Wohlgeboren | Zeilen Antwort | | | wegen Pichler? | | gehorsamster Grabbe, | Darf ich fragen ob die | | der ein schlechter Briefzuma- | Notiz des Lortzing, | | cher (!) ist. | wegen der Jagd eingerückt ist? | | | Detmold d. 23st. März 1830 |
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264.
H: 2 Bl. in 40; 3 S.
F: GrA
T: Autographen aus verschiedenem Besitz. Auktion am 17. Mai
1960 in Marburg. Katalog 548. J. A. Stargardt. Marburg. S. 36,
unter Nr 145.
S. 299, Z. 22: Ihr gütiges Schreiben: Dieses ist nicht bekannt.
S. 299, Z. 22: Böttiger: Karl August B. (1760—1835), damals
„wenn nicht der bedeutendste, so doch der bekannteste Kunstgelehrte
in Deutschland“ (ADB 3, 206); seit 1814 Oberaufseher der Antikenmuseen
in Dresden, daneben vielfach als Schriftsteller und Mitarbeiter
an Winklers „Abendzeitung“ tätig.
S. 299, Z. 33: Pichler junior: Franz P. (1804—1873). Von einem
Gastspiel Pichlers in Dresden weiß Robert Proelß in seiner „Geschichte
des Hoftheaters zu Dresden“ (Dresden 1878) nichts zu
berichten. Die Theaterzettel aus der in Betracht kommenden Zeit
sind dem Bearbeiter nicht zugänglich gewesen.
S. 299, Z. 35 f.: Pichlers Vater glaubte es einstmals: Wegen Grabbes
Pamphlet gegen die Pichlersche Truppe in der „Abendzeitung“.
Siehe Bd 4, S. 77—83, 437—39.
S. 299, Z. 36 f.: Secretaire des Königl. Theaters: In der Tat war
Winkler 1815 dazu ernannt worden.
S. 300, Z. 3 f.: Sein Shylock ist der reine Devrientsche: Vgl. dazu
Bd 4, S. 72, Z. 15 ff.
S. 300, Z. 4: Werdy: Der Schauspieler Friedrich August W.
(1770—1847); siehe die Anm. zu Bd 1, S. 587, Z. 4 v. u. (S. 622).
Der Shylock gehörte zu seinen besten Leistungen.
[Bd. b5, S. 613]
S. 300, Z. 13—15: die Notiz des Lortzing, wegen der Jagd: Sie
ist enthalten im „Wegweiser im Gebiet der Künste und Wissenschaften
“ (Beilage zur „Abend-Zeitung“) Nr 23 vom 20. März 1830,
S. 92, und lautet folgendermaßen:
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Die in früheren Zeiten so beliebte Oper: „Die Jagd“, Musik
von Hiller, ist vom Unterzeichneten dem jetzigen Geschmacke gemäß
mit möglichster Beibehaltung der Original-Melodieen neu instrumentirt
und bearbeitet worden, und sind sowohl Buch als Partitur
von demselben zu beziehen. — Die verehrten Theater-Directionen,
welche die Oper in dieser Gestalt zu besitzen wünschen, werden
höflichst ersucht, sich in frankirten Briefen an mich zu wenden.
Albert Lortzing,
Mitglied des Fürstl. Lippeschen Hoftheaters in Detmold.