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Nr. 302, siehe GAA, Bd. V, S. 331nothumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Louise Christiane Clostermeier (Detmold)
Brief

[Detmold,] 30. April 1831.
15      Hochgeehrteste Mademoiselle.

  meine wirklich vielen Geschäfte, die mich des Abends
so matt machen, als wären alle meine Glieder gebrochen, sind
Schuld, daß ich in jetziger Zeit Sie nicht besuchen u. mit
Phrasen eines Abgematteten belästigen konnte, ja nicht einmal
20Entschuldigung zu machen wagte. Dieser einige Monat lang
gewährt habende Geschäftsdrang ist überdem wohl stadtbekannt.
Jetzt mindert er sich aber, obgleich er mir noch lange
im Körper wird stecken bleiben. Außer neulich, wo ich nach
Lemgo mußte, und gestern, wo ich zum 1. mal im Garten
25war, habe ich noch keinen Frühling gesehen .... Red. des
Morgenblattes ist, mein' ich, Haug in Stuttgart. Mein Aschenbrödel
hat mein Buchhändler durch Hofrath Menzel hineinbesorgt.
Diese Gefälligkeit Menzels kann ich aber für Ferdinandus
nicht anders benutzen, als wenn ich Sie bitte, mir seine
30poetischen Kinder u. den dazu gehörigen Brief versiegelt
zu übergeben, auf daß ich sofort meinen Buchhändler bitte,
ihn weiter zu befördern.

  Ihre Zahnschmerzen thun mir weh, — weh thut mir auch,
35daß mich die Frau Archivräthin nicht mehr für den „deutschen
Michel“ hält. — Gott, ich war ja bange, Sie neulich verletzt
zu haben.

Gehorsamst Grabbe.

[GAA, Bd. V, S. 332]

 

 


302.

H: Nicht bekannt.
T: WBl IV 486, als Nr 2. (Nach einer Mitteilung Ignaz Hubs.)

S. 331, Z. 26 f.: Redacteur des Morgenblattes ist, mein' ich, Haug
in Stuttgart: Friedrich Haug (1761—1829), bekannt als Epigrammatiker,
war von 1808 bis 1817 Hauptredakteur des „Morgenblattes“
gewesen. Zu der in Frage stehenden Zeit, und zwar seit dem Ende
des Jahres 1827, war es Wilhelm Hauffs älterer Bruder Hermann
(1800—1865), der das Blatt zusammen mit dem alten Johann
Friedrich von Cotta leitete.
S. 331, Z. 27 f.: Mein Aschenbrödel hat mein Buchhändler
[usw.]: Siehe die Anm. zu Verweis zum Kommentar S. 311, Z. 2.
S. 331, Z. 28—33: Die Gefälligkeit Menzels kann ich aber [usw.]:
Unterm 4. November 1830 hatte Freiligrath zu Louise Christiane
Clostermeier den Wunsch geäußert, falls er einmal etwas recht
Eklatantes zu Tage fördere, dies in eine gelesenere Zeitschrift einzurücken,
wie z. B. das „Morgenblatt“, und die Frage angefügt, ob
vielleicht Grabbe, wenn anders sein Gewissen es erlaube, seine
vorher von ihm zu prüfende Ware einzuschwärzen, die Güte haben
wolle, dergleichen zu spedieren. (Vgl. „Ferdinand Freiligraths Briefwechsel
mit der Familie Clostermeier in Detmold, insbesondere mit
Louise Christiane, der späteren Gattin Grabbes“, hrsg. von Alfred
Bergmann, Detmold 1953, S. 43.)

[Bd. b5, S. 638]