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Nr. 34, siehe GAA, Bd. V, S. 27thumbnail
Adolph Henrich Grabbe (Detmold) an Christian Dietrich Grabbe (Detmold)
Brief

Handschrift 6te Brief
    Lieber Christian!

  Deinen Brief vom 12ten als den 7ten haben wir den 18ten
Juli des Nachmittags um 5 Uhr richtig erhalten. Daß Du
20gesund bist freuet uns und wir können ein gleichs von uns
rühmen.

  In meinem vorigen Brief schrieb ich Dir daß Fürstinn
Paulina den Tag meines Schreibens die Regierung niederlegte,
welches auch feierlich geschehen ist. Die Rede die die Fürstinn
25gehalten an Ihren Sohn den angehenden Fürsten liegt gedruckt
an und schreib mir Deine Meinung künftig wie sie Dir gefällt.
Ein jeder der diese Rede gehört hat, wundert sich über das
schöne Declamiren, selbst der Archivrath Clostermeier, ein
Kritiker, rühmt das Declamiren, und will behaupten, es wäre
30kein Pastor im Lande, der so richtig declamirte, ausgenommen
der ehemalige Superintendent Ewald hätte es auch gekonnt.

  Es ist gut das Du geschrieben, Deiner Mutter war die Zeit
schon lange u. Du schreibst ihr nicht zu viel. Der Kaffe
kostet hier 12 r u. 20 gr. Anbei erfolgen 50 rthlr. in Golde.
35Du schreibst man sollte Dir vorschreiben, wie lange Du jedesmal
mit dem Gelde aus solltest. Dieses können wir nicht, u.
es können Umstände eintreten, die man nicht voraussehen
kann. Im Ueberfluß wirst Du nicht leben können, aber
nätürlich sollst Du haben, da soll Deine Mutter wol für sorgen,

[GAA, Bd. V, S. 28]

 


die ja so lange für Dich gesorget hat welches Deine Sachen
beweisen. Wie gehet es kaufst Du Dir auch Butter? Du mußt
Butter u. Brod im Hause haben, u. besonders des Abends, wo
Du ein Glas Bier zu trinken kannst. Der Fürst hat am 9ten
5zum 1ten mal einen jungen von 17 Jahren aus Schötmar, der
100 rthlr. Geld gestohlen hat, zum Zuchthause, condemnirt.

  Den 10ten Juli war hier ein großer Fackelnzug die dem
jungen Fürstenpaar zur Ehre gebracht wurden. Es waren über
200 Fackeln, diese habe ich u. Deine Mutter zum erstenmal
10in unsern Leben gesehen. Glaub nur Deine Mutter blieb jetzt
nicht zu Hause, weil den einen Fackelnzug beigewohnt hast,
Der Verwalter Stein ist auf hiesiger Meierei. von Oesterholz
also weg. Meister hat schon um Butter u. Halstücher, die man
ihm schicken sollte, geschrieben.

15  Handschrift Den 18ten hatten wir einen schauderhaften Auftritt, nämlich
der Schneider Piper hat einen 3jährigen Knaben, vor der
Thüre sitzen, u. oben vom Boden fällt eine Heugabel dem
Kinde ganz durch den Kopf, so daß der Zacken aus dem
einen Auge heraus steht, bis jetzt lebt das Kind noch.

20  Deine Uhr ist Dir unterweges doch nicht kaput gegangen?

  Du möchtest doch Deine Laterne im Stande halten und
müßtest Baumoel darauf kaufen, die Abend werden kürzer
möchtest doch vor allen vorsichtig sein, u. nehmen jedesmal
die Laterne mit, wo Du nicht genau bescheid wüßtest.

25  Was hast Du des Mittags zu Essen, Deine Mutter ist bange,
nun daß sie nicht mehr hinter Dir hergehen könnte, wäre
es nicht recht. Sie glaubt, Du könnstest Dir ja Fleisch u. p was
Du am liebsten essest geben lassen.

  Du hast ja einmal um Betten geschrieben ist das Dein Ernst,
30Du hast noch gar nicht darauf geantwortet.

  Am Michaeli sollst Du Schinken haben, durch Fuhrleute von
Lemgo aus. Bekömmst Du einen andern Wirth auf Michaeli?
An Kleidungen fehlt es Dir doch nicht? Deine Mutter läßt
fragen ob die Hemden auch gut wären, oder ob Du noch was
35herunter schneiden wolltest? Du hast Deinen silbernen Löffel
aus dem Ranzen unterweges doch nicht verlohren? Ein Brief
kostet hier 9 mgr. 3 pf. aber Deine Mutter leidet nicht, daß
er unfrankirt abgeht. Die neue Fürstinn hat in der reformirten
Kirche communicirt. Der Hofprediger wird sich ärgern. Der
40Superintendent hat die Antrittspredigt des Fürsten gehalten,
die war schön u. wäre werth daß sie gedruckt würde.

[GAA, Bd. V, S. 29]

 


  Ich kann so viel nicht schreiben, wie mir Deine Mutter
vorplaudert. Wenn gehest Du des Abends zu Bette und stehest
des Morgens wieder auf? Hast Du auch gute Betten? u. auch
alles reinlich. Vergiß Gott nicht und laß Dich nicht auf böse
5Wege bringen. Die Bruchstraße wird verschönert. Peters haben
ihr Haus umgeworfen u. bauen ein Neues. Der Judenkirchhof
muß 8 Fuß missen u. wird zur Chause genommen, daß der
Weg breiter wird. Die Juden sind böse. Handschrift Handschrift Der Secr Knoch gibt
freiwillig von seinem Garten auch dazu her daß der Weg
10breiter wird. Du schreibst gar nicht von Helwing, der ist
jetzt im Buchladen, wird also wol nicht wieder nach Leipzig
kommen. Sind auch Lipper da? Ich habe gehört es sollte ein
Eberhard da sein. Liegt vieles Militair in Leipzig? Du schriebst
in Deinem vorigen Briefe es waren Studenten arretirt, die
15sind doch wieder los.

                Detmold d. 21ten Juli 20    Gr