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Nr. 346, siehe GAA, Bd. V, S. 363thumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Louise Christiane Clostermeier (Detmold)
Brief

Handschrift Hochgeehrteste Mademoiselle!

25  In Geldsachen bin ich vielleicht deshalb ein schlechter Rathgeber,
weil ich zu bedenklich bin, und dadurch oft schade.
Ob der Wehren allhier auch ohne Ingrossation sicher ist,
müssen Sie bedenken. Ich glaube es indeß für meine Person
mehr als zuviel. Hat er aber Kinder aus erster Ehe, so müßte
30wohl auch deren Einwilligung in die Bürgschaft, welche er
übernehmen will (ohne diese ist die Sache nichts) rechtsgültig,
Handschrift gerichtlich und unter gehöriger Zuziehung u. Einwilligung deren
etwaiger Vormünder, wegen der prorogirten Gütergemeinschaft
erwirkt werden.

35  Übrigens ist Ingrossation doch gut und rathsam. Das fällt
mir ex post ein.

[GAA, Bd. V, S. 364]

 


  Hätte weitere Überlegung nicht bis Sonnabends Zeit?

                              Hochachtungsvol
                                
Grabbe.
5                                 Eile!)

  Wäre es überflüssig, sich zu erkundigen, wieviel Otto's
Stätte werth, und quo loco die Ingrossation geschehen? —
Dazu ist weiblicher Tact gut, — ob noth, ob unnoth. Doppelte
Sicherheit ist bisweilen besser. — Zeigen Sie diesen Brief aber
10Niemanden! — Es ist bloß meine tolle Geldansicht.

  [Detmold, November (?) 1831.]

  [Adresse:] Handschrift An die Demoiselle Clostermeier Wohlgeboren
allhier.

 


346.

H: Doppelbl. in 20; 2 S., Adresse auf S. 4.
F: StLBD 282.


  D1: Hillekamps S. 92. (wegen der vielen [angeblich] unleserlichen
Stellensehr lückenhaft und ungenau.)


  D2: DortmunderMitteilungenS. 31—32, unter Nr 42.


  Der undatierte Brief ist hier eingereiht, da die darin behandelte
Angelegenheit wahrscheinlich dieselbe ist, wie die von Louise
Clostermeier in ihrem Kommentar zu Brief Verweis zum Kommentar Nr 344 erwähnte.

S. 363, Z. 27: Wehren] von fremder, wohl der Empfängerin
Hand gestr. aRl W. H

S. 363, Z. 27: Wehren: Johann Friedrich Anton W., geboren am
28. Febr. 1779 zu Lemgo, verheiratete sich als „angehender Kaufmann
“ in Detmold am 11. Okt. 1807 zu Lemgo mit Johanne Friederike
Dorothee Doht, weiland Johann Anton Dohts, Bürgers und
Kaufmanns daselbst, einziger nachgelassener Tochter, Witwer seit
29. Jan. 1830, gestorben als Kaufmann und Kammerarius am 24.
März 1845 zu Detmold an der Gicht (nach der Todesanzeige in
Nr 13 des „Regierungs- und Anzeige-Blattes“ vom 29. März 1845,
S. 133, in Folge eines Nervenschlages). Sein Geschäft wurde unter
der Firma: „Friedrich Wehren“ fortgesetzt.

[Bd. b5, S. 659]

 


S. 363, Z. 33: prorogiren: verlängern; prorogirte Gütergemeinschaft:
fortgesetzte Gütergemeinschaft. Bei dieser wird das Gemeinschaftsverhältnis
zwischen dem Überlebenden und den Kindern fortgesetzt,
indem diese, bei Minderjährigkeit ihre Pfleger oder Vormünder,
in die vermögensrechtliche Stellung des Verstorbenen eintreten.

S. 364, Z. 7: quo loco: wo.
S. 364, Z. 7: Ingrossation: Eintragung der Verpfändung eines
Grundstücks für eine Forderung in die gerichtlichen Grund- und
Hypothekenbücher. — Sie war in Lippe seit dem Erlaß der Hypothekenordnung
von 1771 obligatorisch.
  Der Inhalt des Briefes läßt sich nicht restlos deuten, unter anderem
deshalb, weil Grabbe es auch hier liebt, die geschäftlichen Angelegenheiten
mehr im Plaudertone zu erledigen. Mit einiger Sicherheit
kann man folgendes sagen:
  Louise Clostermeier und deren Kusine Eleonore Kayser haben
eine gemeinsame Forderung an eine nicht genannte Person (vielleicht
Otto). Daß die beiden Frauen die Gläubiger sind, geht aus diesem
Briefe freilich nicht unbedingt hervor, wird aber dem bei Nr 344
abgedruckten Kommentar Louisens entnommen werden dürfen.
Diese Forderung will Wehren sichern, und Grabbe meint, zum
mindesten solle dies durch eine Bürgschaft in ordentlicher Form
(„ohne diese ist die Sache nichts“, bloßes Versprechen) geschehn. Er
stellt aber zur Erwägung, ob man nicht doch weiter gehen und
Sicherung durch Ingrossation, also Verpfändung eines Grundstücks
und deren Eintragung in ein öffentliches Buch, verlangen solle. Seine
persönliche Ansicht ist anfangs die, daß sie unnötig ist; Wehren
erscheint ihm offenbar nach seinem beweglichen Vermögen sicher
genug. Jedoch sei, wenn die Bürgschaft Rechtsgültigkeit haben solle,
die Einwilligung etwaiger Kinder aus erster Ehe nötig, die, wie er
annimmt, nicht mehr besteht, unbekannt, aus welchem Grunde.
Nachträglich überlegt sich Grabbe, daß Mitverpfändung des Grundstücks
doch ratsam sei.