Nr. 353, siehe GAA, Bd. V, S. 368 | 10. Februar 1832 | | Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Theodor von Kobbe (Oldenburg) | Brief | | | | Vorangehend: keine | Nachfolgend: keine |
| Geehrtester Herr! 10 Ich danke für Ihren Brief. — Verzeihen Sie meine flüchtige Antwort auf Schreibpapier. Ich schreibe sie während Untersuchung angeblich dienstuntauglicher Militairs, und kann, da meine Stube von ihnen belagert ist, Niemand nach Briefpapier aussenden. 15 Meine Poesien sind alle flüchtig geschrieben, und nicht so gut als Sie wollen. Mein ansprechendstes Werk muß der Barbarossa seyn. Damals schien mir die Sonne des Glücks, — seit zwei Jahren aber nichts als Geschäfte, Undankbarkeit, Armbruch, alle drei Wochen infolge früheren wüsten Lebens 20einen mich immer mehr ermattenden Krankheitsangriff, seit 7 Monaten, wo ich, um ordentlicher zu werden, mich häuslich ketten wollte, eine angeblich vor meiner Geistesgröße von hier entwichene Braut, an der ich noch hänge, und wieder eine andere, die ich wohl schätze, aber an der ich nicht hänge, sie 25jedoch an mich, das alles muß anders werden oder in diesem Jahre so oder so endigen. Die Zeit und ihre Trompeter, die Poeten, haben jetzt etwas Krampfhaftes an sich. Niemand benutzt sein Talent recht. Bruchstücke von vielen einzelnen Bruchstücksmenschen sind da, 30aber Keiner, der sie im Drama oder Epos zusammenfaß't. Wahrscheinlich kommt aber doch einmal der Messias, der diesen Jammer im Spiegel der Kunst verklärt. Wie ist's mit unseren berühmten Tagsautoren? Haben sie Muth? Haben sie Lebensfrische? Kennen sie die Welt? Geldjuden und feige 35— — — sind sie zum Theil. — Ich kenne einige. [GAA, Bd. V, S. 369] Werfen Sie sich mir nicht an den Hals. Meine Person würde Sie schwerlich ansprechen. Mein bester Freund findet mich entweder wüst und wild, oder stumm und langweilig, oder in Geschäftslaune, und dabei stets nachlässig im Betragen. 5Meine Blüthenstunden sind nicht mehr. Ich habe durchgelebt, und lache, obgleich ich keine Feder mehr ansetze, über die in meinen früheren Sachen bewiesene schlechte Menschenkenntniß. Lebe ich so lange, so reise ich vielleicht nächsten Sommer auf einige Tage nach Hamburg. Ich glaube aber es kommt 10auch zu dem „vielleicht“ nicht, — sonst könnten wir uns da sprechen. Ich bin hochachtungsvoll | | Ewr Hochwohlgeboren | | | gehorsamer | Detmold, den 10t Febr. | | Grabbe | 1832. | | | [Adresse:] Sr Hochwohlgeboren dem Herrn Landgerichtsassessor Theodor von Kobbe in Oldenburg. Frei. |
| | Briefauswahl | | | Briefe von Christian Dietrich Grabbe | | | Briefe an Christian Dietrich Grabbe | | | Briefe über Christian Dietrich Grabbe | | | | Nach Absendern | | | | A | Friedrich Althof Nr. 408, 12. Juli 1833 | B | Obristleutnant Friedrich Adolph Böger — Freimeister F. Brauns Nr. 308, 24. May 1831 | C | Heinrich Christian Albrecht Clemen Nr. 489, 13. Dezember 1834 — Christian Gottlieb Clostermeier | E | Wilhelm Arnold Eschenburg | F | Fürstlich Lippische Regierung — Fürstlich Lippisches Konsistorium — Fürstlich Lippisches Militärgericht | G | Adolph Henrich Grabbe — Louise Christiane Grabbe — Karl Friedrich Simon Groskopf Nr. 456, 28. April 1834 | I | Karl Leberecht Immermann | K | Henriette Kehde Nr. 401, 25. Juni 1833 — Georg Ferdinand Kettembeil Nr. 120, 28. April 1827 | M | Magistrat Nr. 393, 30. May 1833 — Christian von Meien | P | Fürstin Paulina zur Lippe Nr. 17, 07. Februar 1818 — Wilhelm Piderit Nr. 412, 10. Oktober 1833 | R | Ludwig Rötteken Nr. 414, 14. Oktober 1833 | S | Catharine Sagel Nr. 381, 25. März 1833 — Carl Georg Schreiner — Jakob Stang — Wilhelm Christian Ludwig Stedtfeld Nr. 303, 10. May 1831 |
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