Nr. 43, siehe GAA, Bd. V, S. 39 | 19. May 1822 | | Adolph Henrich Grabbe (Detmold) an Christian Dietrich Grabbe (Berlin) | Brief | | | | Vorangehend: | Nachfolgend: |
| Lieber Christian! 10 Deinen Brief vom 13ten haben wir den 17ten richtig erhalten und freuen uns daß Du gesund bist. Wir sind gesund und wünschen immer ein gleiches von Dir zu hören. Daß Du eine so gute Reise und so gute Gesellschaft gehabt hast freuet Deiner Mutter außerordentlich, sie sucht nichts 15in den Zeitungen als was aus Berlin geschrieben. Neues gibt es hier eben nicht als wir haben schöne Witterung. Die Mutter läßt fragen ob Du Deine Sachen auch alle richtig erhalten ob Du auch noch Unkosten p auch in der RockTaschen unter den Arm alles gefunden. Daß Du mit Deinem Quartier 20zufrieden bist freuet uns auch schreib uns doch was Deine Wirthsleute für ein Gewerbe haben. Hörest Du auch schon Collegia? Wenn Du Dein MittagsEssen noch wohlfeiler bekommen kannst wenn Du darauf pränumerirest, mußt Du solches thun. 25 Ist Eickermann auch in Berlin, man sagt hier er wäre in Braunschweig. Hast Du auch mit Schlinkmanns Sohn gesprochen. Die Decken und Lakens müßtest Du gebrauchen. Denn in der Decke sitzt Wolle, sonst käme der Wurm darin, auch möchtest Du die katunen Ueberzüge aufziehen. Der 30Fürst ist 4 Wochen mit seiner Gemahlin u. den Erbprinzen verreiset gewesen. Ich möchte in Berlin die große Parade beiwohnen. Ist der König auch in Berlin? Du bist jetzt Preußischer Unterthan u. ich muß mich nun nach Allem erkundigen, Hast Du den Kronprinz von Preußen schon gesehen? 35Wie viel Studenten sind wol in Berlin? und wohnest Du mit noch mehr Studenten in einem Hause. Wenn Du Dein Werk fertig hast, den widme es den König von Preußen. Alles ist hier voller Verwunderung, daß Du jetzt in Berlin [GAA, Bd. V, S. 40] bist, und jedermann zerbricht sich den Kopf warum? Sogar der obermüller Brand begegnete mich vor einigen Tagen in der Allee und redete mich an, ob Du jetzt in Berlin wärest, und er hätte in einer großen Gesellschaft davon 5sprechen hören, Du hättest umgesattelt, nachdem Du schon 2 Jahre Jur: gehört u. studirtest jetzt Theologie!!! Um Dich bekümmert sich alles u. ich weis nicht warum? sie geben u. haben Dir noch kein einzigesmal gegeben u. Selbst der Herr Regierungsrath Petri hat mich gefragt, ob 10Du in Berlin wärest, ich antwortete ja, aber ich erhielt von demselben zur Antwort es wäre außerordentlich theuer in Berlin. Deiner Mutter thut es leid, daß sie Dir des Abends den Kaffeè nicht machen kann und sie empfiehlt Dir denselben 15des Abends, wenn Du nur auch ein Weisbrod dazu essest, weil Du daran gewohnt wärest. Ich weis nichts neues mehr als leb wohl und wir wünschen beständige Gesundheit, das übrige wird sich alles geben. Detmold den 19ten Mai 1822. 20 [Adresse:] An den Hrn. Stud. jur. Grabbe Wohnhaft auf der alten Friedrichsstraße nro: 149 parterre in Berlin. frey |
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43.
H: Doppelbl. in 20; 1⅔ S., Adresse auf S. 4.
F: GrA
T: WBl IV 610—11.
S. 39, Z. 14: sucht] suht H
S. 39, Z. 25: Eickermann: Nicht mit Sicherheit zu bestimmende
Persönlichkeit.
S. 39, Z. 26: Schlinkmanns Sohn: Da man wird annehmen dürfen,
daß die betreffende Persönlichkeit gleichen Alters mit Grabbe war,
so handelt es sich möglicherweise um Simon Friedrich Conrad
Schlinkmann, geb. zu Detmold am 21. Aug. 1803 als Sohn des
Bürgers und Schuhmachermeisters Joh. Conrad Schl., gest. am
2. Mai 1877.
S. 39, Z. 30: den Erbprinzen: Paul Friedrich Emil Leopold,
geb. am 1. Sept. 1821.
S. 39, Z. 34: den Kronprinz von Preußen: Den späteren König
Friedrich Wilhelm IV. (1795—1861.)
[Bd. b5, S. 427]
S. 40, Z. 2: obermüller Brand: Siehe die Anm. zu S. 25, Z. 21.
S. 40, Z. 9: Regierungsrat Petri: Friedrich Simon Leopold P.
(1774—1850). der Vater von Grabbes Freunde, dem Kanzleirat
Moritz Leopold P. Er war zunächst Advokat und Syndikus in Lage
gewesen, unterm 13. Dez. 1804 zum Herrschaftlichen und Stadt-Richter
in Lemgo, 1810 zum Kanzleirat und Regierungs-Assessor
in Detmold und unterm 17. Mai 1814 zum Regierungsrat ernannt
worden. Unterm 11. Juni 1832 wurde er Geh. Regierungsrat, 1845
Geh. Oberregierungsrat und im März 1848 Regierungs-Präsident.