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Nr. 43, siehe GAA, Bd. V, S. 39thumbnail
Adolph Henrich Grabbe (Detmold) an Christian Dietrich Grabbe (Berlin)
Brief

        Handschrift Lieber Christian!

10  Deinen Brief vom 13ten haben wir den 17ten richtig erhalten
und freuen uns daß Du gesund bist. Wir sind gesund
und wünschen immer ein gleiches von Dir zu hören.

  Daß Du eine so gute Reise und so gute Gesellschaft gehabt
hast freuet Deiner Mutter außerordentlich, sie sucht nichts
15in den Zeitungen als was aus Berlin geschrieben. Neues gibt
es hier eben nicht als wir haben schöne Witterung. Die Mutter
läßt fragen ob Du Deine Sachen auch alle richtig erhalten
ob Du auch noch Unkosten p auch in der RockTaschen unter
den Arm alles gefunden. Daß Du mit Deinem Quartier
20zufrieden bist freuet uns auch schreib uns doch was Deine
Wirthsleute für ein Gewerbe haben. Hörest Du auch schon
Collegia? Wenn Du Dein MittagsEssen noch wohlfeiler bekommen
kannst wenn Du darauf pränumerirest, mußt Du
solches thun.

25  Ist Eickermann auch in Berlin, man sagt hier er wäre in
Braunschweig. Hast Du auch mit Schlinkmanns Sohn gesprochen.
Die Decken und Lakens müßtest Du gebrauchen.
Denn in der Decke sitzt Wolle, sonst käme der Wurm darin,
auch möchtest Du die katunen Ueberzüge aufziehen. Der
30Fürst ist 4 Wochen mit seiner Gemahlin u. den Erbprinzen
verreiset gewesen. Ich möchte in Berlin die große Parade
beiwohnen. Ist der König auch in Berlin? Du bist jetzt
Preußischer Unterthan u. ich muß mich nun nach Allem
erkundigen, Hast Du den Kronprinz von Preußen schon gesehen?
35Wie viel Studenten sind wol in Berlin? und wohnest
Du mit noch mehr Studenten in einem Hause.

  Wenn Du Dein Werk fertig hast, den widme es den König
von Preußen.

  Alles ist hier voller Verwunderung, daß Du jetzt in Handschrift Berlin

[GAA, Bd. V, S. 40]

 


bist, und jedermann zerbricht sich den Kopf warum? Sogar
der obermüller Brand begegnete mich vor einigen Tagen
in der Allee und redete mich an, ob Du jetzt in Berlin
wärest, und er hätte in einer großen Gesellschaft davon
5sprechen hören, Du hättest umgesattelt, nachdem Du schon
2 Jahre Jur: gehört u. studirtest jetzt Theologie!!!

  Um Dich bekümmert sich alles u. ich weis nicht warum?
sie geben u. haben Dir noch kein einzigesmal gegeben u.
Selbst der Herr Regierungsrath Petri hat mich gefragt, ob
10Du in Berlin wärest, ich antwortete ja, aber ich erhielt von
demselben zur Antwort es wäre außerordentlich theuer in
Berlin.

  Deiner Mutter thut es leid, daß sie Dir des Abends den
Kaffeè nicht machen kann und sie empfiehlt Dir denselben
15des Abends, wenn Du nur auch ein Weisbrod dazu essest,
weil Du daran gewohnt wärest.

  Ich weis nichts neues mehr als leb wohl und wir wünschen
beständige Gesundheit, das übrige wird sich alles geben.

  Detmold den 19ten Mai 1822.

20                                

[Adresse:] Handschrift An den Hrn. Stud. jur. Grabbe Wohnhaft auf der
alten Friedrichsstraße nro: 149 parterre in Berlin. frey

 


43.

H: Doppelbl. in 20; 1S., Adresse auf S. 4.
F: GrA
T: WBl IV 610—11.

S. 39, Z. 14: sucht] suht H

S. 39, Z. 25: Eickermann: Nicht mit Sicherheit zu bestimmende
Persönlichkeit.
S. 39, Z. 26: Schlinkmanns Sohn: Da man wird annehmen dürfen,
daß die betreffende Persönlichkeit gleichen Alters mit Grabbe war,
so handelt es sich möglicherweise um Simon Friedrich Conrad
Schlinkmann, geb. zu Detmold am 21. Aug. 1803 als Sohn des
Bürgers und Schuhmachermeisters Joh. Conrad Schl., gest. am
2. Mai 1877.
S. 39, Z. 30: den Erbprinzen: Paul Friedrich Emil Leopold,
geb. am 1. Sept. 1821.
S. 39, Z. 34: den Kronprinz von Preußen: Den späteren König
Friedrich Wilhelm IV. (1795—1861.)

[Bd. b5, S. 427]

 


S. 40, Z. 2: obermüller Brand: Siehe die Anm. zu Verweis zum Kommentar S. 25, Z. 21.
S. 40, Z. 9: Regierungsrat Petri: Friedrich Simon Leopold P.
(1774—1850). der Vater von Grabbes Freunde, dem Kanzleirat
Moritz Leopold P. Er war zunächst Advokat und Syndikus in Lage
gewesen, unterm 13. Dez. 1804 zum Herrschaftlichen und Stadt-Richter
in Lemgo, 1810 zum Kanzleirat und Regierungs-Assessor
in Detmold und unterm 17. Mai 1814 zum Regierungsrat ernannt
worden. Unterm 11. Juni 1832 wurde er Geh. Regierungsrat, 1845
Geh. Oberregierungsrat und im März 1848 Regierungs-Präsident.