Nr. 48, siehe GAA, Bd. V, S. 45 | 21. September 1822 | | Christian Dietrich Grabbe (Berlin) an Ludwig Tieck (Dresden) | Brief | | | | Vorangehend: keine | Nachfolgend: |
| 30 Ewr Wohlgeboren übersende ich halb mit Vertrauen und halb mit Zagen beiliegendes Trauerspiel. Ein paar beurtheilende Zeilen von Ihrer Hand sind alles, worauf ich zu hoffen wage. Wäre das Stück jedoch so glücklich, das nähere Interesse Ewr Wohlgeboren 35zu erregen, so würde mein schriftstellerisches Loos entschieden seyn. Ohne die Worte eines Meisters, wie Sie, möchten die Kühnheiten meiner Composition, von denen ich wahrlich keine einzige ohne näheren Bedacht hingesetzt habe, [GAA, Bd. V, S. 46] schwerlich jemals ein gerechtes Urtheil erfahren. — Das Manuscript können Ewr Wohlgeboren längere Zeit behalten; sähe ich aber statt desselben ohngefähr über drei Wochen einen Brief mit dem Postzeichen Dresden, — ich wüßte nicht, 5was ich vor Freuden machen sollte, und enthielte er auch nur zwei Worte von Ihnen! Doch, mein Werk mag bestimmen, ob ich solcher Gunst würdig bin. Aus Furcht Ewr Wohlgeboren unnütz zu belästigen, schließe ich diesen Brief, in den ich so gerne noch Vieles hineingeschrieben 10hätte. Stets verbleibe ich Ewr Wohlgeboren gehorsamster und tiefster Verehrer Berlin, den 21ten Sept. 1822. 15Ch. Grabbe. Nachschrift. 1) meine Adresse ist: große Friedrichsstraße Nro. 83, beim Riemermeister Kramer. 2) Im Bewußtseyn, daß ich wenigstens etwas Ausgezeichnetes, wenn auch nichts Gutes geleistet habe, fodre ich Sie auf, mich öffentlich 20für einen frechen und erbärmlichen Dichterling zu erklären, wenn Sie mein Trauerspiel den Producten der gewöhnlichen heutigen Dichter ähnlich finden. |
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