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Nr. 48, siehe GAA, Bd. V, S. 45nothumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Berlin) an Ludwig Tieck (Dresden)
Brief

30                    Ewr Wohlgeboren

  übersende ich halb mit Vertrauen und halb mit Zagen
beiliegendes Trauerspiel. Ein paar beurtheilende Zeilen von
Ihrer Hand sind alles, worauf ich zu hoffen wage. Wäre das
Stück jedoch so glücklich, das nähere Interesse Ewr Wohlgeboren
35zu erregen, so würde mein schriftstellerisches Loos
entschieden seyn. Ohne die Worte eines Meisters, wie Sie,
möchten die Kühnheiten meiner Composition, von denen ich
wahrlich keine einzige ohne näheren Bedacht hingesetzt habe,

[GAA, Bd. V, S. 46]

 


schwerlich jemals ein gerechtes Urtheil erfahren. — Das Manuscript
können Ewr Wohlgeboren längere Zeit behalten;
sähe ich aber statt desselben ohngefähr über drei Wochen
einen Brief mit dem Postzeichen Dresden, — ich wüßte nicht,
5was ich vor Freuden machen sollte, und enthielte er auch nur
zwei Worte von Ihnen! Doch, mein Werk mag bestimmen,
ob ich solcher Gunst würdig bin.

  Aus Furcht Ewr Wohlgeboren unnütz zu belästigen, schließe
ich diesen Brief, in den ich so gerne noch Vieles hineingeschrieben
10hätte. Stets verbleibe ich

                    Ewr Wohlgeboren
          gehorsamster und tiefster Verehrer

  Berlin, den 21ten Sept.

        1822.
15Ch. Grabbe.

  Nachschrift. 1) meine Adresse ist: große Friedrichsstraße
Nro. 83, beim Riemermeister Kramer. 2) Im Bewußtseyn,
daß ich wenigstens etwas Ausgezeichnetes, wenn auch
nichts Gutes geleistet habe, fodre ich Sie auf, mich öffentlich
20für einen frechen und erbärmlichen Dichterling zu erklären,
wenn Sie mein Trauerspiel den Producten der gewöhnlichen
heutigen Dichter ähnlich finden.

 

 
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