Nr. 517, siehe GAA, Bd. VI, S. 153 | 10. Februar 1835 | | Christian Dietrich Grabbe (Düsseldorf) an Moritz Leopold Petri (Detmold) | Brief | | | | Vorangehend: | Nachfolgend: |
| Lieber Petri! Dieß wird alles in Eile geschrieben, da mich der Buchhändler 35um Hannibal drängt, der am 4ten dieses, Abends 4½ Uhr, geendet ist, und zu meiner allervollsten Zufriedenheit. Ich weiß kaum, woher ich die Kraft bekommen. Jetzt, da mein Manuscript je unleserlicher ist, so poetischer es hier und da seyn mag, schreib' ich ihn selbst ab, und corrigire dabei. Voilà, [GAA, Bd. VI, S. 154] weshalb ich nicht eher antworten konnte. Aschenbrödel erhaltet ihr bald. Der Plutarchsche Hannibal war mir immer verdächtig, ich fand ihn nur bei den franz. Uebersetzungen und (irr' ich nicht) bei Schirach. Jetzt dank' ich Dir und Schierenberg 5für die Nachricht. Wir Deutschen verachten die franz. Gelehrsamkeit so oft, und bei Gott, weißt Du wer mir am meisten ausgeholfen? Der alte Rollin. Schierenb. wird lachen, ich habe aber zu meinem Zweck mehr darin gefunden als im Schlosser. Es wäre mir lieb, wenn Du mir blindweg die Pustkuchsche 10Foderung qu. abmachtest. Ich habe Deinen Brief darüber nicht durchweg lesen dürfen, weil es jetzt Alles gilt, den Hannibal zu endigen, und die geringste unangenehme Aufregung mich stören könnte. Deine Freundschaft habe ich jedoch gesehen, und alles was Dich, Schierenberg ect. persönlich 15betrifft, herausgelesen. Mir geht es hier sehr wohl, und ich werde meiner Mutter wohl bald wieder Geld schicken können. Für den Ersatz der bewußten Pustk. Foderung, und zwar den sofortigen, haft' ich mit meinen Obligationen, meinem Honorar, meinem ganzen Vermögen, meiner Ehre hier 20oben drein, und auch für die Zinsen. Gern hätt' ich Dir Scen. aus Hannibal geschickt. Er ist dreimal besser gelungen als Napoleon — Carthago's Asche weht vielleicht noch heut in's weite Meer, ich bin wenigstens mit Gewalt daran. Ein Genius hat über mei[nem] Schicksal gewaltet, gut, daß ich 25niedrig geboren ward, das Geschäftsleben kennen lernte, besser aber, daß ich nun diese harten Lehren heiter benutzen kann. Grüße meine Bekannten, Schierenberg und sag Ziegler, ich würde ihm bald antworten. Düsseld. am Tag des ersten 30hies. Schnees, 10 Febr. 1835. suis très-affectionnê humble 35 Dietrich Grabbe. (Muß ich Dir Obligationen schicken, geht's dann nicht in vidimirter Abschrift, mit dem Cessionsschein darunter? Die Originale Singleton könnten auf der Post Unfall erleben, aber 40unter der vidimirten Abschr. bemerkt werden, daß sie fortan [GAA, Bd. VI, S. 155] nichts mehr gelten, und dann hier vor einem Notar verbrannt werden.) [Adresse:] Sr Wohlgeboren dem Herrn Canzleirath Petri in Detmold. Frei. |
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517.
H: Doppelbl. in 40; 3 S., Adresse auf S. 4.
F: GrA
T Gegenw. S. 27
T1: WBl IV 503, als Nr 10.
T2: WGr IV 397—98, als Nr 157.
D: WW VI 93—94, als Nr 180.
Auf S. 4 Abgangsstempel: DÜSSELD. 1—9 10 2
Ankunftsstempel: 13 2 N 1
S. 154, Z. 24: mei[nem]] Das zweite Blatt ist beim Öffnen des
Briefes am oberen Rande mit Textverlust beschädigt
S. 154, Z. 3 f.: und (irr' ich nicht) bei Schirach: In den „Biographien
des Plutarchs mit Anmerkungen. Von Gottlob Benedict
von Schirach“ (8 Theile. Berlin u. Leipzig, Decker 1777—80) ist
keine Biographie Hannibals enthalten.
S. 154, Z. 7: Der alte Rollin: Siehe die Anm. zu S. 126, Z. 7.
S. 154, Z. 8 f.: im Schlosser: Über die punischen Kriege handelt
Friedrich Christoph Schlosser im ersten Bande seiner „Weltgeschichte
in zusammenhängender Erzählung“ (Frankfurt am Main, Varrentrapp
1815), ausführlicher in den beiden Abteilungen des zweiten
Teiles der „Universalhistorischen Uebersicht der Geschichte der alten
Welt und ihrer Cultur“ (ebenda 1828—29).
S. 154, Z. 31—34: Je suis votre très-affectionnè et très humble
serviteur: Ich bin Ihr sehr gewogener und sehr ergebener Diener.
S. 154, Z. 38: vidimirter: mit dem „Vidimus“ (d. h. Wir haben's
gesehen, durchgesehen) versehener, d. h. beglaubigter.
S. 154, Z. 38: Cessionsschein: Abtretungsschein.
S. 154, Z. 39: Singleton: Beim Whist die einzige Karte einer
Farbe in der Hand.