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Nr. 696, siehe GAA, Bd. VI, S. 330thumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Düsseldorf) an Moritz Leopold Petri (Detmold)
Brief

                Handschrift Lieber Petri!

15Dieser unfrankirte Brief wird Dich wundern. Jedoch ich muß
ihn schreiben. Vom Hrn. Schreiner, der jetzt mit der Ostermesse
zu thun hat, und mir doch schon Vorschuß leistete, kann
ich unmöglich weiteren fodern, besonders da meine Hermannsschlacht
zwar im Ganzen vollendet, aber im Einzelnen noch
20nicht ausgefeilt ist. Demnach kann ich nicht anders als das
Urtheil über mein hartes Loos (in welchem ich denn doch
immer noch meine Mutter unterstützte) Dir und der Welt
zu überlassen, und es drauf wagen, nach Detmold zurückzukehren,
was immer besser ist als ein wohlfeiler Sturz in den
25Rhein, wofür ich mich noch zu theuer achte. Cotta hat mir 20,
Dr. Frank in Wien 30 Gulden für jeden leichtzuschreibenden
Journalbogen geboten. Du sollst es nächstens selbst lesen.
Wie aber kann ich unter Umständen Handschrift und Aergernissen, trotz
deren ich mehr geleistet als ihr wißt, ihnen reelle Einsendungen
30liefern, ohne Gefahr mir und ihnen zu schaden? Mich
wundert selbst, daß die Hermannsschlacht mir Tag für Tag
besser glückt bei ihrem letzten Umguß. Darum bitt' ich Dich,
meinen einzigen Freund von Jugend auf, 1.) schaffe mir mit
umgehender Post 30, wo möglich 36 Thaler als Anleihe. Mein
35gesammtes, jetziges und künftiges Vermögen, auch mein elterliches
Erbtheil, sobald es nach meiner Mutter Tode an mich
fällt, haften. Du mußt aber sorgen, daß Hptm. Runnenberg
die übersandte Summe für noch eingekommene Deserviten hält,

[GAA, Bd. VI, S. 331]

 


von denen Ziegler vielleicht auch noch ein Stückchen für mich
übrig hat, und daß er über die schweigt, um kein unnützes
Geplapper bei meinem Weib zu erwecken. 2.) bitt' ich: miethe
mir ein kleines Logis mit 1 Tisch, 2 Stühlen, einem Bett.
5Gleich zu Anfang mag ich mich in meinem Hause nicht todtärgern,
obgleich, geht's nicht anders, Handschrift ich die genannten Möbeln
daraus holen ließe. 3.) Sorge, daß eure Juristen und Advocaten,
meine alten Mitcollegen in den besseren Zeiten, wo ich
noch unverheirathet war, mir soviel zum Abschreiben oder
10Ausarbeiten geben, daß ich täglich doch etwa 15 mgr. verdiene.
Davon kann ich leben, und beizu meine poetischen Sachen
vollenden. Dieser Brief ist in Eile geschrieben, daß ich aber
gut, wenigstens sehr deutlich calligraphisch schreiben kann,
weißt Du. Gasthäuser und jede unangenehme Berührung für
15euch will ich meiden. Meiner Mutter theile gefälligst die offne
Anlage mit, und steh' ihr einstweilen bei. Jeden Dienst will
ich Dir gern vergelten, wo ich kann. Meine Adresse ist
jetzt: auf der Neubrück-Straße, bei Hrn. Bauer, nr. 171,
1 Treppe hoch. Mach' alles still wie möglich ab, schicke mir
20umgehends das gebetene Geld, sonst bin ich verloren und
kann nicht einmal von hier fort zu euch. Auch hätte oder
muß ich eine Paßerneuerung meines alten vom Handschrift 17 Sept. 1834
auf Düsseldorf haben. Ein paar Worte auf einen Schein
reichen hin. Der alte Paß war mir beim Umziehen verloren
25gegangen, und darum konnte ich ihn nicht schicken. Meinst
du ich erhielte Weitläuftigkeiten, über das mehrere Monate
verspätete Erneuerungsgesuch, auf ½ Jahr zu richten, (ich
bin aber noch nächsten Monat bei euch) so laß es. Du kennst
Meyen. Wo möglich aber grüß' ihn, oder den, der die Regierungspässe
30austheilt (Kellner?) höflichst von mir, und schaffe
mir den Schein. Ich könnte in Münster auf der Durchreise
Lärm bekommen. Hier ist mir gar kein Paß abgefodert, und
ich hatte sein Datum lange Zeit vergessen.

                                
35                                

Düsseldorf, 29. April 1836. Die

Adresse steht oben im Brief

[Adresse:] Handschrift Sr Wohlgeboren dem Herrn Canzleirath Petri in
Detmold. [Von fremder Hand hinzugefügt:] frei.

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