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Nr. 71, siehe GAA, Bd. V, S. 83thumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Dresden) an Ludwig Christian Gustorf (Berlin)
Brief

30                    Handschrift Gustorf! o! Gustorf!

  Erstens schreibe ich Dir einen Brief auf Briefpapier, zweitens
tadle ich Dich, daß Du so lange geschwiegen hast, da ich
mich in dieser Hinsicht mit meinen neuen Verhältnissen und
dem Abschreiben meiner Stücke entschuldigen kann, drittens
35bitte ich Dich mir gleich nach Durchlesung des Briefs zu
antworten, viertens wohnt der Choulant, wie ich höre, in
Leipzig, fünftens bin ich aber auch zu faul gewesen, um
in den Adreßcalender zu gucken, sechstens schreib mir, wie
das Journal heißt, welches Deinen Aufsatz erhalten sollte,

[GAA, Bd. V, S. 84]

 


und siebentens schicke ich ihn Dir gleich auf Deine nächste
Antwort, zum Dank für dieselbe.

  Neulich erhält Tieck, während ich just da bin, plötzlich ein
Paquet von Berlin mit Heines sämmtlichen Werken, ohne
5ein Begleitungsschreiben; Tags darauf sagte Tieck, daß sich
in den Gedichten etwas erlebtes zeige, aber die Tragödien
gefielen ihm nicht. — Auch traf ich neulich den Benedict und
gab mich ihm aus Spaß zu erkennen; er will mir schwerlich
schaden; an den Gerüchten des vorigen Winters ist nichts
10wahres. — Wittwe Butzken? Die ist entweder sehr dick oder
sehr hager, und noch dazu Original. Mauerstraße: Du, der
Oeconom, Köchy, vier Beefsteaks, vier Champagnerflaschen
und ich, gegenüber zwei hungrige Gelehrte, die nicht illuminirt
hatten, nebenan das Gestöhne der ein Kind auskotzenden
15Wirthstochter u. s. w. — Sag' Robert, daß ich fest bin und
bleibe, unerschütterlich fest; er möchte, in Deinem nächsten
Briefe einige Worte mitschreiben. — Was macht Grimm?
Grüß' ihn doch von mir. — Die Stich ist ja wieder aufgetreten;
sie war die klügste von allen drei Betheiligten. —
20Ich wohne auch bei 'ner Wittwe, die ehemals eine Frauensperson
gewesen zu seyn scheint, und fast wie mein Teufel
Handschrift mitten im Sommer noch immer einheitzen läßt; sie heißt
Loose und trägt eine grüne Perrücke. — Hat Köchy an Euch
geschrieben? Wo steckt der Oeconom? — Wie ich hier stehe,
25wie ich mich gemacht habe, ist curios; doch jetzo ist's mein
fester Wille, mich allen mehr und mehr zu nähern; eigentlich
werde ich zu human behandelt; aber was man von mir
denkt, weiß ich nur so halb und halb. Rath' einmal! Schreib'
mir's! — Bleib' in Berlin; vielleicht besuche ich Dich einmal.
30— Wohnst Du hinten oder vorn heraus? — Ich glaube zu
wissen, weswegen Du mich in verschiedenen Schimmern
siehst. — Tieck nennt mein sentimentales Thier allerliebst,
obgleich er auch Manches daran aussetzt; er gesteht mir, daß
man mich darin nicht wieder erkenne. — Hast Du Geld
35genug? Geh bisweilen um meinetwillen in den Don Juan
und lies die Abentheuer des Barbiers Schnaps. Es ist eins
der ersten und wahrsten Werke in der Welt. — Wenn Du
mir nicht sogleich antwortest, und viele Witze und Facta
erzählst, so werde ich wahnsinnig; Commentiren ist eine
40Deiner Hauptforcen. — Mir fehlt Jemand wie Du. — Der
Zuschauer mit seiner Abtrittsbrille ist ja eingegangen! Was

[GAA, Bd. V, S. 85]

 


macht der vortreffliche Symansky nun? Ob er noch Freibillets
erhält. — Ich beneide euch um die Sommergenüsse im
charlottenburger Theater, besonders wenn ihr Mädtchen mitgenommen
habt. — Was macht Dein Zahn? Meine sind auch
5wacklig und wollen auch ausfallen. Wie heißt der Titel von
Heines Tragödien? Ich mochte Tieck nicht darum fragen. —
Schreib!
                 Dein
                           Grabbe.    Adresse:
Dresden den 3 Ju[ni]    große Schießg. nr. 719.
  1823.    

[Adresse:] Handschrift Sr Wohlgeboren dem Dr. med. Gustorf in Berlin,
(leipziger Straße, nro 39, bei der Madam Butzken, parterre.)
Durch Einlage.

 

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  Ebene schließenChronologisch
   
1818Meyersche Hofbuchhandlung Nr. 22, 03. März 1818
1820Adolph Henrich Grabbe 
1822Christian Gottlieb Clostermeier Nr. 42, 01. März 1822 — Adolph Henrich Grabbe  — Gotthelf Heinrich Jacobi Nr. 49, 21. November 1822 — Ludwig Tieck Nr. 51, 06. Dezember 1822
1823Adolph Henrich Grabbe  — Otto Carl August Ludwig Höpffner Nr. 62, 04. April 1823 — freunde Nr. 65, 24. April 1823 — Ludwig Christian Gustorf  — Karl Köchy Nr. 73, 24. Juli 1823 — Witwe Lohse Nr. 79, 23. November 1823
1824Karl Köchy Nr. 82, 16. Februar 1824 — Wilhelm Hermann Claepius Nr. 84, 01. März 1824 — Examinationskommission Nr. 86, 28. März 1824 — Fürstlich Lippische Regierung Nr. 87, 02. Juni 1824
1826Fürstlich Lippische Regierung Nr. 111, 14. November 1826 — Christian Gottlieb Clostermeier 
1827Christian Gottlieb Clostermeier Nr. 137, 07. November 1827 — Fürstlich Lippische Regierung 
1828Christian Gottlieb Clostermeier Nr. 154, 23. Januar 1828 — Fürstlich Lippische Regierung  — Louise Clostermeier  — Johann Karl August Kestner Nr. 178, 28. März 1828 — Louise Christiane Clostermeier 
1829Louise Christiane Clostermeier Nr. 233, 13. Juli 1829 — Fürstlich Lippische Regierung Nr. 252, 22. Dezember 1829
1831Fürst Leopold zur Lippe II. Nr. 298, 14. April 1831 — Fürstlich Lippische Regierung  — Louise Christiane Clostermeier Nr. 348, 29. Dezember 1831
1832Fürstlich Lippische Regierung  — Secondelieutenant Carl Wilhelm Runnenberg Nr. 365, 27. Juli 1832
1833Secondelieutenant Carl Wilhelm Runnenberg Nr. 370, 20. Januar 1833 — Wilhelm Arnold Eschenburg Nr. 378, 16. März 1833 — Johann Wilhelm von Hoffmann Nr. 379, 17. März 1833 — Louise Christiane Grabbe Nr. 387, 26. April 1833 — Fürstlich Lippische Regierung 
1834Fürst Leopold zur Lippe II. Nr. 423, 30. Januar 1834 — Louise Christiane Grabbe Nr. 476, 13. November 1834 — Fürstlich Lippische Regierung  — Karl Leberecht Immermann Nr. 481, 21. November 1834
1835Karl Leberecht Immermann  — Louise Christiane Grabbe  — Carl Georg Schreiner Nr. 648, 27. August 1835
1836Karl Leberecht Immermann Nr. 687, 25. Februar 1836 — Moritz Leopold Petri Nr. 700, 05. May 1836 — Carl Georg Schreiner  — Louise Christiane Grabbe  — Fürstlich Lippisches Konsistorium Nr. 728, 07. September 1836
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