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Nr. 72, siehe GAA, Bd. V, S. 85thumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Dresden) an Adolph Henrich Grabbe, Dorothea Grabbe (Detmold)
Brief

15                    Handschrift Theure Eltern!

  Euern Brief vom 30sten Mai habe ich zu meiner großen
Freude erhalten; ich bin noch gesund, möchtet Ihr es auch seyn.

  Das Erste, was ich Euch schreibe, ist, daß ich Euch vielleicht
noch im Juli besuchen kann; ich habe aus mehreren
20Gründen eben 40 rthlr. Reisegeld erhalten, und soll nach
Braunschweig in einigen Tagen abgehen, um ein Geschäft mit
dem Buchhändler Vieweg und dem Dr. Köchy abzumachen,
und da kann es denn kommen, daß ich auch einen Sprung
nach Detmold mache. — Grade auf den 11ten Jun. hatte ich
25die drei ersten Aufzüge meines neuen Stückes fertig. — Die
Sachen aus Berlin erhielt ich durch die Post. — Weswegen
wollt Ihr so eifrig, daß ich mit meinen Sachen, ich meine mit
meinen Schriften, zum Vorschein komme, da sie mir doch schon
an die 200 rthlr. eingebracht und Euch gezeigt haben, daß
30sich die Leute für mich interessiren? Ist das nicht fürerst
genug? — In 5 Wochen müßt Ihr mir nicht schreiben. — Mein
Bart wächst ganz schrecklich. — In Dresden hat nicht der Handschrift 10te
Mann einen Buckel, das ist freilich übertrieben, sondern der
3te hat einen. — Auf den Keller muß der Vater gehn. —
35Jetzt, da ich Concerte, Theater und andere Dinge umsonst
habe, frage ich soviel nicht mehr darnach. — Meier hat den
Titel meines Stücks getroffen. — Meine Briefe aus Berlin sind
ganz unschuldig. — Wenn ich mich selbst Euch zeigen sollte,
so habt Ihr mein Portrait doch nicht nöthig. — Überall erhalte

[GAA, Bd. V, S. 86]

 


ich Freunde. - Habe neue Stiefeln und Schuhe kaufen müssen. -
Die Geschenke des Königs von Baiern sind sehr unbedeutend
gewesen; man hat am anderen Tage schon viele bei den Juden
getroffen. — Es blüht und grünt hier ringsumher. — Alles
5reis't nach Töplitz. — Einen Mann, wie hier der Herr von
Könneriz, trifft man nirgends wieder. — Ich bin fröhlich;
denket häufig an mich; wir trinken vielleicht bald Caffee
zusammen und streiten uns dabei tüchtig.
                             Euer
  Dresden d. 15 Jun. [1823.]    ChDGrabbe.

 


72.

H: 1 Bl. in 40; 2 S.
F: GrA
D: WBl IV 354—55, als Nr 18.
  In der oberen rechten Ecke der ersten Seite Vermerk von der
Hand des Vaters: 19tn Juni 23 erhalten

S. 85, Z. 24 f.: hatte ich die drei ersten [und] neuen] Mit Rotstift
unterstr. H
S. 86, Z. 6: Könneriz] Mit Rotstift unterstr. H
S. 86, Z. 7 f.: Caffee [und] streiten [bis] tüchtig] Mit Rotstift
unterstr. H

S. 85, Z. 25: meines neuen Stückes: Des „Marius und Sulla“.
S. 85, Z. 36 f.: Meier hat den Titel meines Stücks getroffen:
Siehe Verweis zum Kommentar S. 82, Z. 1 f.
S. 86, Z. 5 f.: Herr von Könneriz: Siehe die Anm. zu Verweis zum Kommentar S. 79, Z. 6 f.