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GAA, Bd. I, S. 33 zurück Seite vorwärts

[GAA, Bd. I, S. 33]

 


Den Menschen und Vertrauen auf den Bruder
Soll Wahn gewesen sein? Dann Himmel! fleh ich:
Wahnwitzig laß mich bleiben immerdar!
Wohl weiß ich es: Nichts steht auf Erden fest;
5Der Mensch lehnt sich auf seine Türme,
Und seine Türme stürzen krachend ein —
Doch wer am Busen seines Bruders liegt,
Handschrift Der fand die heilge Stätte auf, an der
Er sicher ruhet im Gewühl des Lebens! —
10Ein Haus der Freundschaft wölbt sich meine Brust
Und an mir selbst müßt ich verzweifeln,
Wenn ich den Brudermord mir denken könnte!
Ihn denken? Wehe! das vermag ich nur
Zu wohl: 'nen Bruder rächend, kann
15Ich einen Bruder töten! — O, wer schafft
Gewißheit mir in dieser Angst? Natur,
Ich frage dich! Erschlug er ihn? — Handschrift Gottlob,
Er tat es nicht! Ich sehe, wie
Die Wölfe ihre Häupter schütteln! — —
20                        — Und wärs doch
Geschehen? O, dann brauset racheknirschend auf,
Ihr Höllenpforten! werde schwarz vor Zorn
Erstdruck Du sonnenhelle Ätherwölbung! Satan
Bäum riesig dich empor vom Feuerpfuhl,
25Und wirf die Sternenkuppel aus den Angeln!
Brecht los ihr Stürme, deckt die Gräber Handschrift auf,
Worin der Mord sein blutig Werk verscharrt hat!
Das Weltgericht ist um Jahrtausende
Gezeitigt und es kommt mit Blitzesschwingen,
30Denn „ Brudermord “ sein Stichwort ist erschollen!
Die Erde ist von heilgem Blut gerötet
Und ein geschminkter Tiger ist der Mensch!
Weh! Weh! zu welchem Ziele wird dies führen?
Ich bete! Höret mich ihr obern Handschrift Mächte!
35Hört mich, den Wurm, dem man sein einzig Gut
Will rauben! Nehmt Gesundheit mir und Habe, — doch
Den Glauben an die Menschheit, diesen Trost
Des Menschen in den Nöten, ohne den
Es keine Liebe, ewgen Haß nur gibt,
40Der mich vertrauen lehret auf mich selbst,
Der mich beglückt, wenn ich mein Weib