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[GAA, Bd. I, S. 663]

 


der Stadt Minturnae entfernt waren, sahen sie von weitem einen
Schwarm Reiter auf sich zukommen, wurden aber zum Glücke
auch gewahr, daß soeben zwei Last-Schiffe absegelten. Sie liefen
also, so viel jeder nur laufen konnte und Kräfte hatte, auf das
Meer zu und warfen sich hinein. Während Granius in dem einen
die gegenüber liegende Insel Aenaria (Ischia) erreichte, wurde
Marius, der sich seines dicken Körpers wegen nicht gut helfen
konnte, von zwei Sklaven mit großer Mühe über dem Meere ge-
halten und in das andere Schiff gesetzt, als eben die Reiter am
Ufer ankamen. Sie riefen den Schiffern zu, sie sollten entweder
wieder ans Land fahren oder den Marius auswerfen, worauf sie
segeln könnten, wohin sie wollten. Marius aber fiel den Herren
des Schiffs zu Füßen und bat sie unter Tränen, sich seiner zu
erbarmen. Lange blieben sie unschlüssig; endlich antworteten sie
den Reitern, daß sie den Marius nicht verraten würden. Die Reiter
waren eben mit Drohungen weggeritten, als sie ihren Sinn änderten.
Sie schifften ans Land, warfen Anker bei dem Ausflusse des Liris
(heute Liri, in seinem Unterlaufe Garigliano genannt), wo er viele
Sümpfe bildet, und baten den Marius, daß er aussteigen, Speise
zu sich nehmen und seinem abgematteten Körper einige Erholung
gönnen möchte, bis sie wieder guten Wind bekämen. Marius ließ
sich dazu bewegen, ging nichtsahnend an das Land und legte sich
ins Gras. Die Schiffer stiegen sogleich wieder ein und segelten
davon; sie hielten es für schändlich, den Marius zu verraten, und
für gefährlich, ihn zu erretten. „So war Marius nun“, schreibt
Plutarch wörtlich weiter, „von allen verlassen. Er lag eine Zeit-
lang sprachlos am Ufer. Mit Mühe raffte er sich endlich auf, und
gieng so gut er konnte durch unwegsame Oerter, tiefe Sümpfe,
und Graben voll Wasser und Koth weiter fort, bis er an die
Hütte eines alten Mannes kam, der an diesen Graben zu arbeiten
pflegte. Er fiel ihm zu Füßen, und bat ihn, einen Mann zu
erretten, und Hülfe zu leisten, der ihm, wenn er der gegenwärtigen
Gefahr entgienge, über alle Erwartung belohnen würde. Der Alte,
der ihn entweder von voriger Zeit her kannte, oder aus seinem
Ansehn vermuthete, daß er ein vornehmer Mann seyn möchte,
antwortete ihm: 'Wenn er bloß der Ruhe bedürfe, so könne er
in seine Hütte kommen, wenn er aber etwa vor Feinden flöhe,
so wolle er ihn an einem Orte verbergen, wo er ganz sicher seyn
sollte.' Marius bat ihn um das letztere. Er führte ihn in einen
Sumpf, wo er in ein Loch neben dem Flusse herabkriechen mußte,
und bedeckte ihn mit vielem Schilfe und leichtem Gesträuche.“
Schließlich fällt Marius doch seinen Verfolgern in die Hände. Er
wird nach Minturnae gebracht, soll hingerichtet werden, erhält
dann aber doch seine Freiheit wieder. (A.a.O. Th. 4, S. 170—79.)
Verweis zum Text S.345, Z.29 f.: an den fernsten äthiopischen Grenzen: Aithiopien
war das Land im Süden und Südosten des Erdkreises. Als Nord-
grenze wurde in der antiken Geographie schließlich der Süden
Ägyptens fixiert. So verstand man denn unter Aithiopien Nubien
und überhaupt das von Negern bevölkerte Afrika im Gegensatze
zu Libyen.