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[GAA, Bd. II, S. 341]

 


Ein Hauptmann der Schweizergarde tritt vor Rudi, du
hast den König zu barsch behandelt.
Handschrift Der Schweizergardist Dem Kanton Luzern hab ich ge-
schworen, dir muß ich gehorchen, und solang du es nicht
5 befiehlst, ist es mir eins, ob ich für oder wider dieses
schnatternde Gesindel jemand totschlage.
Erstdruck  Dritte Szene
Königliche Zimmer in den Tuilerien
König Ludwig und die Herzogin von Angoulême kommen 10
König Ludwig Wo ist Berry?
Herzogin von Angouleme Auf der Revue, Sire, und mein
Gemahl geht ihm eben entgegen.
König Ludwig Revue! Revue! ich traue den Truppen nicht;
sie gehorchen uns nur aus Not, ein Teil ist feig, ein anderer
15 falsch. Das sag ich dir: weit lieber würd ich in Hartwell
wieder meine Kräuter und Blumen suchen, Handschrift und nach Linné
ihre Ordnungen bestimmen, als auf dem Thron Frankreichs
sitzen.
Herzogin von Angouleme Sire, der Thron von Frankreich
20 ist dein, — du erbtest ihn, und deinen spätesten Enkeln
bist du schuldig, daß du ihn bewahrst. Gott führte dich auf
ihn zurück, — versuche mit deinem Zagen Gott nicht.
Erstdruck König Ludwig Du schmerzbeladene Tochter Frankreichs,
Kind der beiden königlichen Menschenopfer —
25Herzogin von Angouleme Mein Vater! mein Vater! meine
Mutter!
König Ludwig — du lange Eingekerkerte, — wie kommt
es, daß gerade du, die des Schicksals Schwere am härte-
sten empfand, von allen meines Stammes die stärkste
30 bist, bloß im Vertrauen auf Gott?
Handschrift Herzogin von Angouleme Gott? — Wo es an Menschen
fehlt, da erscheint er! — Oheim, ich lernt ihn kennen,
dort in dem Tempel, Tempel, ja des Abgrundes der Re-
volution, doch für mich des Lichts. — Wer so wie ich,
35 ein zartes Kind, da im Gefängnisse schmachtet, und ban-
gen Ohrs die Häupter des Vaters und der Mutter von