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[GAA, Bd. II, S. 515]

 


Erstdruck  VIERTER AUFZUG
Erste Szene
Zweite Hauptstadt
Großer Vorsaal im königlichen Schlosse
5Aufgestellte Wachen. Der Rüpel steht bei dem Schuh, welcher
auf einem Sammetkissen liegt
Rüpel Da haben sie mir zwar den Titel Oberschuhrat gegeben,
aber leider Gotts! auch ein verwünschtes Geschäft. Auf den
Schuh blickend Das verfluchte kleine Ding! Da muß ich es
10 hüten, von Morgen bis Abend daran gucken und probieren
lassen, und keinen Fuß gibt es, dem der Racker sich fügen
will! Er sieht hinaus Wie's schon wieder andrängt, die ganze
Weiberschaft ist auf der Wanderung, junge und alte, kleine
und große, häßliche und schöne, geringe und vornehme, alles
15 reckt die Tatzen nach dem Schuh!
Ein Metzger tritt ein mit seiner Tochter. Rüpel zu ihm
Herr Metzger, alle Ehre für Eure Tochter, und ihr Fuß
gefällt mir als ein reelles, massives Stück, aber für den
Schuh ist er viermal zu breit.
20Erstdruck Metzger Wer weiß! Der Schuh muß biegen oder brechen.
Tochter weint Vater es geht nicht — ich komme nicht einmal
mit den Vorderzehen hinein!
Ein Jude kommt mit seinen sechs Töchtern Mai! ein schöner
Schuh, ein feiner Schuh, sehr guter Sammet — Esterche —
25 Saarche — Rösche — probiert! — — Quetscht tüchtig die
Zehen zusammen — so —
Saarchen Au, Ette! — tust mir weh!
Jude „Kurz ist der Schmerz und ewig währt die Freud“ —
Wills noch nicht? Er faßt den Schuh an und will ihn aus- 30
einander recken Man muß etwas nachhelfen!
Rüpel nimmt ihm den Schuh weg und setzt ihn wieder an