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[GAA, Bd. III, S. 291]

 


auf die Tenne. Pfui, wer speist selbst und versäumt sein an-
gebundenes Vieh?
Knechte
beschämt, die Pferde fütternd und tränkend 5
Die hat die Augen überall.
Einer
Mir wirds grün und gelb vor den meinigen, wenn ich die
ihrigen auffunkeln sehe.
Varus
10 Hohe Frau, wie beklag [33.] ich dich wegen des Getriebs,
in welchem du dich bewegen mußt. Wie leicht dir, dich an
Roms gebildetere Sitten zu gewöhnen. Gar Livia, die Kaiser-
gemahlin, sehnt sich nach dir.
Thusnelda
15 Sie kann ja hieherkommen. Was klirrt?
Zu einer Magd
Das Salzfaß zerbrochen? Wer einmal etwas zerbricht, macht
immer Stücke — Fort aus meinem Dienst. Heule nicht, es geht
nicht anders. Nimm die-[34.]sen goldnen Ring mit.
20Varus
Du bist so hart als mild.
Thusnelda
Kann man in Cheruska anders seyn? Um uns: die wilde,
karge Natur, voll Sand und Wald, welche uns zwingt, das
25 Geringste zu beachten, damit wir nur einen mäßigen Wohl-
stand bewahren. In uns: das Herz, welches auch starr und
streng seyn sollte und doch oft weichliche Gefühle nicht zu
unterdrücken vermag. — In [35.] eurem Süden solls besser
seyn.
30Varus
Wie ich dir schon gesagt habe, du würdest bald unter duften-
den Olivenhainen die von Regen und Frost schauernden
Wälder des Nordens verachten.
Thusnelda
35 Sind sie verächtlich, weshalb kommt ihr so weit her, sie zu
erobern?
Varus
Darüber zu reden, ist hier nicht Ort, noch Zeit. [36.] Nur
dieß will ich dir vorläufig andeuten: wir mußten hier einige
40 eurer Lande einstweilen besetzen, weil von Osten her ger-
manische und slavische Völkerstämme einzubrechen drohen,