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[GAA, Bd. IV, S. 76]

 


den echten geschliffenen Conversationston (nicht den
accentuirten oder besser gesagt, den zerhackten) in seiner Gewalt
hat, kann nie, selbst nicht in einem Calderon'schen
Drama, zum Bombast sich versteigen, kann nie, wie so viele,
5selbst hochberühmte Schauspieler thun, bloßes Schreien oder
wilde Sprünge der Stimme von der Höhe zur Tiefe, vom
reinen Brustlaut zur Metallosigkeit, mit richtiger Modulation
verwechseln; ja, Hr. Braunhofer übertreibt in der
Regel so wenig, daß er dadurch oft seinem Effekt auf die
10Menge schadet, die vorzüglich in kleineren Städten an
Uebertreibung leicht Geschmack findet. Wie Wenige mögen
diesen Schauspieler da verstehen, wo seine Mäßigung wahre
Kunst ist; in einer seiner größten Rollen, in „Roderich“
(„Sigismund“), [S. 44 a] im „Leben ein Traum“, ist die Scheu,
15mit der er im zweiten Akte, wo er als Prinz erwacht, auftritt —
der halbe Traum, worin seine Worte und Gesten anfangs noch
befangen sind, eben so tief als ergreifend. Die Extreme berühren
sich und deshalb pflegen unsere gewöhnlichen Amorosos
neben ihren tragischen Rollen auch noch komische Liebhaber
20spielen zu können, z. B. den „Rittmeister“ im „Obrist“, den
„Carl Ruf“ in der „Schachmaschine“ u.s.w. Doch auch hier
muß man Hrn. Braunhofer auszeichnen, indem er stets
charakterisirt. Sein Talent dehnt sich sogar auf Intriguants
aus, z. B. auf den Bösewicht in den „Galeerensklaven“
25, und Referent gesteht, daß er ihn als Liebhaber zwar
nicht gern missen, aber als Intriguant oder Alten vielleicht
noch höher schätzen würde. Hr. Brauhofer versuche sich einmal
als „Franz Moor“, als „Lear“ u.s.w.; sein Auge, seine
Stimme, seine Besonnenheit werden ihn unterstützen. Nach
30diesem aufrichtigen, verdienten Lobe folge ein eben so aufrichtiger
Tadel: Hr. Braunhofer hat zuweilen nicht sicheren
Takt genug, um zu wissen, wie weit er gehen darf; auch
spielt er nicht überall mit gleichem Feuer, sondern scheint ermattet
oder verstimmt zu seyn; man sieht ihm oft noch zu
35viel Bestrebung an, und hier und da (aber selten und
ganz wider seine durchdachte und gemüthsbewegende Weise)
hascht er wohl an Stellen, in denen ein gedämpftes Gefühl
vorherrschen sollte (z. B. als „Romeo“ am Ende des Stücks),
mit zu lauten Worten nach Effekt. — Neben Hrn. Braunhofer
40steht Hr. Pichler jun. in alten komischen und charakteristischen
Rollen als sehr bedeutender Künstler da. Was