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[GAA, Bd. IV, S. 98]

 


schritten, — aber der Schiller-Goethische Briefwechsel, in sechs
Bänden dem Publico vorgelegt, welches vielleicht im Vertrauen
auf die Firmen Schiller und Goethe tüchtig loskaufen wird, —
hat keines der den obigen früheren Briefsammlungen beiwohnenden
5Interessen, ist weiter nichts als eine Sammlung billetmäßiger
Lappalien, wobei anfangs Schiller und Goethe, besonders
in ihren staatsbürgerlichen und schriftstellerischen Verhältnissen
zu einander, an nichts weniger als deren dereinstige
Publication gedacht haben.

10
  Ex post, nach mehr als 20 Jahren, hat sich jedoch Goethe
eines Schlimmeren besonnen. Er selbst hat wahrscheinlich diese
Trivialitäten herausgegeben. Sicher glaube ich freilich an ein
solches Vergehen gegen Schiller und gegen sich selbst noch
nicht recht. Indeß — wo kommen die von Schiller an Goethe
15gerichteten Billette her, wenn letzterer sie nicht zum Druck
ausgeliefert hat? Und — ach! — beginnt der sechste Theil
nicht mit einer Dedication an den König von Baiern, nach
welcher jeder unseren Dichterliebling (Dichterfürst ist für ihn
zu viel) als Herausgeber der qu. Briefsammlung halten muß?

20
  Schiller und Goethe, ihr beiden Heroen am deutschen Dichterhimmel,
brauchtet euren Glanz nicht mit den Erbärmlichkeiten
eures Privatlebens zu umnebeln — Recht gut, daß man
eure Charactere kennen lernt, aber so manche Elendigkeiten,
die wir nicht zu wissen brauchten, dabei! — Auch das mag
25gut seyn, wenigstens bei dem blinden Bewunderer Menschenkenntniß
verbreiten, — aber war es (gelinde ausgedrückt) klug
oder delicat, daß Goethe sie bekannt machte? Was Schiller
oder Goethe künstlerisch oder moralisch sind, weiß der Gebildete
auch ohne diese Briefe.

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  Das literarische Gesindel, welches nichts kann, als Nachschreien
und Nachbeten, wird nicht ermangeln auch diesen
Briefwechsel zum Himmel zu erheben. Die Berliner Jahrbücher
der Literatur, in denen die Recensionen von den Recensenten
unterzeichnet werden, und das im belletristischen Fache sehr
35überflüssig, da man die darin an hohlen Phrasen sich abwürgenden
Menschenkinder schon kennt oder schon nicht achtet,
haben in ihrem breiten, nach der Schule schmeckenden Style
bereits nicht versäumt, dieß auf Kosten Schillers zu thun, der
immer nur als Schildknappe neben Goethe mitgehen soll. Auch
40auf Kosten der Wahrheit, — Herr Varnhagen von Ense, der
mehr Kenntniß, und die ist auch so arg nicht, als Urtheil