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[GAA, Bd. IV, S. 104]

 


Sie p.p.) bedurften keiner Herausgabe des Schiller-Goethischen
Briefwechsels, um zu zeigen, daß sie existirten. Man hat
in Weimar eine lächerliche, manches Gemüth empörende neue
Beiseitsetzung des Schiller'schen Schädels auf der dortigen Bibliothek
5(ob Goethe mit Schuld war? nach der Analogie der
Edition des Briefwechsels sollte man es muthmaaßen) für gut
gefunden und ausgeführt — nun, weder Schillers Gebeine,
noch Schillers Geist haben jetzt noch nöthig sich vor Zorn umzukehren,
— Andere sorgen ja nach alle diesem genug dafür.

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  Wenigstens recht bewegend und etwas aufrührend ist es
nächstdem für jeden Deutschen, wenn er sieht, wie im Briefwechsel
Schiller und Goethe (ob aus Rücksichten gegen
einander? ob freimüthig?) die größten Geister ihrer Zeit
und ihres Vaterlandes als Lumpen behandeln. Klopstock, Wieland,
15Garve, Herder, Jean Paul, Tieck p.p., bedeuten nach
diesem Briefwechsel nicht viel mehr als Spreu unter den zwei
Waizenkörnern: Goethe und Schiller. Auch die Ausländerin,
der wir zumeist die Beförderung des deutschen literarischen
Ruhms im Auslande verdanken, und welche Goethe so eher
20achten sollte, als er gegen diesen Ruhm (v.[ide] viele Stellen
in seinem Journal Kunst und Alterthum) nichts weniger als
gleichgültig ist, die geniale Stael, bekommt ihr unverdientes
Theil. Daß aber Goethe auch die Gebrüder August Wilhelm
und Friedrich Schlegel nicht verschont hat, jetzt noch dazu
25der Welt zeigt, daß er es nicht gethan, ist bemerkenswerther
als alles Andere. Goethe scheint denn doch seinen Ruhm vor
Allem zu lieben, und wer hat diesen Ruhm, wie er momentan
grade ist, anders erschaffen, als die beiden Schlegel? Ein wenig
Dankbarkeit, ein wenig Delicatesse gegen die beiden ihm befreundeten
30Männer, hätte man erwarten sollen. Goethe, von
jeher in ältester und neuester Geschichte kein tiefsehender Politiker,
indem ihm, wie außer der schon angezogenen Stelle
der Farbenlehre auch jedes seiner historischen Dramen beweis't,
dazu die Kenntnisse fehlen, hält vielleicht die Schlegel für
35untergegangen und wähnt wohl deshalb sich sehr hoch zu
stellen, wenn er darthut, wie er auch Diener, die ihn zum
Goetzen machten, bloß als Gewürm betrachtet hat, — aber
er irrt sich: ihre Schule lebt, wenn sie auch ihre Lehrer kaum
noch kennt, — es lebt überdem noch Mancher, der recht gut
40weiß, warum die Schlegel ihn anbeten ließen, und ein paar
Leute sind da, die es weder den Schlegel's verdenken, daß