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[GAA, Bd. IV, S. 156]

 


Flitter vergessen zu machen. Shakspeare läßt von ihm, kurz
vor seinem Tode, sagen: er sänge. Auch das that er hier, als
er in der Endscene auftrat, mit wenigen Tacten, aber ergreifend.
Recht ist's, Shakspeare's Andeutungen so auszuführen,
5da er sich meist auf sie verlassen und kein Scenarium geschrieben
hat. Die Sterbescene (auch von W. v. Schlegel in
seinen dramaturgischen Vorlesungen so verkannt) ward ihrer
würdig ausgeführt, und hob unter vielem eine Absicht des
Dichters da heraus, wo der vergiftete, innen versengte Mann,
10sich nach Eis sehnt, und selbst in den Thränen des ihn betrauernden
Sohnes nur dursterregendes Salz bemerkt. Man sollte
glauben, Shakspeare müsse den Durst und die Einbildungen
der Cholerakranken gekannt haben. — Herr Reußler gab
den Hubert, nicht wie das anderwärts geschieht, in Gesichtszügen,
15Geberden, Kleidung outrirt, sondern als einen eigenen,
rauhen, aber tüchtigen Menschen. Der König selbst gesteht
ex post einmal, daß er in geistiger Befangenheit den Mann
sich [S. 79] Erstdruck häßlicher, wilder gedacht, als er sei, und ich
meine, auch Arthur würde ihn weniger lieben, wär's nur
20eine Fratze. — Der Arthur, welcher mir nun bei seiner Erwähnung
erst recht in's Gedächtniß fällt, war die reinste Thräne
und Perle des Ganzen. So naiv und gefühlvoll, wie Mad.
Schenk ihn gab, kann man ihn sich vielleicht denken, aber
selten sehen. Bis auf das Kleinste ward er richtig von ihr
25gespielt, und Hubert ward nicht mit Lamentationen, sondern
mit lieblichem Selbstvertrauen überredet, daß er doch dem
armen Arthur nicht die Augen ausglühe. Mad. Limbach,
seine Mutter, hatte so mehr Ursache, so herzerschütternd, wie
sie that, die Erde, sein künftiges Grab, zu ihrem Thron zu
30wählen, und den bittersten Ingrimm auch in den kleinsten
Worten gegen Großmutter Eleonore (brav von der Dem.
Stephany gespielt) zusammenzupressen.

  Alles war mit solch unsäglicher Mühe arrangirt und durchgeführt,
daß ich erst, als ich nach Haus kam, nachdenken
35konnte: wie muß man sich abarbeiten, um einen Kunstgenuß
zu geben, bei welchem, soll er rein sein, die Zuschauer
auch nicht im Entferntesten die Plage und Aufopferung, mit
welchen er geschaffen, spüren dürfen?