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[GAA, Bd. II, S. 289]

 


zu entscheiden! — Bis zur Täuschung waren die Sauborsten
und der Dreck darauf nachgemacht. Wir haben die Natur
erreicht und stehen auf dem Gipfel der Kunst.
Thisbe Wie wahr bemerkt!
5Clorinde Wie richtig gesagt!
Der König Um die Leute zu prüfen, sag ich etwas ihnen
vielleicht Unbegreifliches dazwischen.
Zum Rüpel
Herr, ist es denn der Künste höchste Stufe,
10Wenn sie nur die Natur nachahmen? Soll
Handschrift Sich die Natur nicht in der Kunst verklären,
Und wie im Meer der heiße Himmel kühler
Und schöner wiederglänzt, nicht in dem Werk
Des Künstlers sich im Ernst der Scherz und in
15Dem Scherz der Ernst sich spiegeln? Was im Leben
Verworren liegt und ohne Einklang, soll
Es nicht die Kunst zur Harmonie vereinen?
Clorinde Das ist eine sonderbare Ansicht. Seine Majestät
haben die Wahrheit angedeutet. Die Natur muß im Ge-
20 sange oder im Verse entweder überboten oder kopiert wer-
den. Ein Mittelding gibt es nicht.
Thisbe Und seh ich ein Schauspiel, so Handschrift muß ich mich in mich
selbst zurückgesetzt finden, — soll ich jammern, so muß
ich auch den Jammer, genau wie er in meinem Zimmer
25 auf einsamem Sofa sein könnte, hören und erblicken, ohne
irgend eine Beimischung von Kunst.
Der König für sich So laß dich schlagen und du bist so gut
Gerührt, als sähst du Ifflands Dramen!
Laut 30
Die Träne nur, die der Begeisterung
Vor dem Erhabnen, vor der Schönheit fällt,
Entlocke uns der Dichter — jede andere
Ist Torheit oder Pein. Die Poesie
Soll Himmel sein des Lebens, und wie man
35Handschrift Im Himmel die Verstorbenen
In Wiedersehns Verklärung wiederfindet,
So finde man in dem Gedichte Leid
Und Wonne heiter wieder —
Clorinde halblaut Welch trauriges Geschwätz! — Kotzebue
40 und Iffland, Immermann und Raupach, so denkt ihr nicht!
Die Mehrzahl der Dichter ist auf unserer Seite.