Das Christian-Dietrich-Grabbe-Portal
 
GAA, Bd. III, S. 333 zurück Seite vorwärts

[GAA, Bd. III, S. 333]

 


Erstdruck  4
Haus im oberen Hünenring. Zimmer
Thusnelda und Thumelico
Thumelico Mutter!
5ThusneldaHandschrift  Was begehrst du, mein Junge?
Thumelico Ein kleines Butterbrot, nicht größer als meine
Hand.
Thusnelda Ein großes, ein ganz großes sollst du haben! Iß,
trink und freue dich des Augenblicks ehe die schweren Jahre
10 kommen. Hols dir in der Küche.
Thumelico eilt fort. Hermann tritt ein. Thusnelda zittert, und
wird glutrot
Hermann Mein Land bleibt auch im Winter das Land der
Rose, wie die Barden es benennen. Deine Wangen bezeugen
15 es. — Du wendest dich ab und hältst die Hand vor die
Augen?
Thusnelda Deine neue römische Ritterrüstung blendet.
Hermann Auch diesen Siegelring sandte mir der Kaiser.
Erstdruck ThusneldaHandschrift  Wehe, Weh! Der erste im heißen Süden geschmie-
20 dete Ring, der dich, mich, den ganzen Norden an Italien
kettet.
Hermann Tränen? Pfui.
Thusnelda Freilich, ein Vaterlandsverräter ist der Träne nicht
wert. Wer aber kann sie zurückhalten?
25Hermann Weine aus. Ich setze mich so lang bis du fertig bist.
Thusnelda Du! Erniedrigt durch diese goldnen Schuppen zu
einem Goldkäfer! Bist du ein echter Held in Eisen oder ein
augustischer Schmetterling in bunten Flügeldecken?
Hermann Fürstin und Frau, kennst du Fürsten und Männer?
30Thusnelda Einst wähnt ich allerlei davon. Es waren Träume.
HermannHandschrift  Weiberlist ist unergründlich, sagt man. Glaubst du,
die Männer hätten vom Mutter- oder Vaterwitz Erstdruck nicht auch
etwas? — Was ist besser, Knecht oder freier Herr?
Thusnelda Was willst du sagen?
35Hermann Gesetzt, ich hätte die Römer und dich getäuscht,
Stahl gewetzt, während du Zwirn gefädelt hast. Sie hätten
sich umsonst gefreut, du hättest dich umsonst geängstet?
Thusnelda Herr, Erretter, Hermann! Jetzt begreif ich alles,
ich umarme dich! Die Freude ists, die meine Arme beflügelt,