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[GAA, Bd. IV, S. 61]

 


dabei sind ihm einige Übereilungen im Gesange fast
zu verzeihen. Sein Spiel ist, nach Maaßgabe des gewöhnlichen
Tenoristen-Spiels, gut genug. — In den Mitteltönen und in
der Tiefe ist die Baßstimme des Herrn Fries trefflich und
5sein Vortrag sicher. Bei höher liegenden Partien, z. B. als
Jacob im Joseph in Aegypten, reicht er nicht aus. Herr Fries
würde auch recht gut agiren, wenn er sich des baierischen
Dialects entwöhnte, seine selbstgeschaffenen Aushelfssylben im
Dialog wegließe, und mehr Übung in der Tanzkunst (die
10vor allem in Haltung der Kniee ihm mangelt) verriethe. —
Der Bariton, Herr Lortzing, erfreut den Hörer bei seiner
schwachen Stimme mit einer richtigen Intonation, und ist
zwar zugleich kein genialer, aber höchst gewandter Schauspieler.
— Herr Schmidt, zweiter Tenorist der Oper,
15und zweiter Liebhaber im Schauspiel, spielt etwas matt, und
seine Stimme ist um so räthselhafter, indem sie bald im Tenor
zu schweben, bald in der Tiefe des Basses zu versinken sucht.
Er singt sowohl den Max im Freischützen, als den Masetto
im Don Juan, und den Almaviva in Figaros Hochzeit. Bei
20so mannigfaltigen Bestrebungen ist Herr Schmidt auf directem
Wege, seine wenigen guten Töne völlig zu zerrütten. — Zweiter
Bassist ist Herr Heinsen. Schauspieler, welche gern
und fleißig Lückenbüßer-Rollen übernehmen, wird jeder Theaterkenner
nicht verachten. — Herr Spengler, ein erträglicher
25Bouffon, besitzt wenig Stimme und keine Gesangkunst.
— Die [S. 15b] Stimme des Herrn Schellhorn ist
bedeckt; als Schauspieler leistet er das Mögliche, und dieß ist
bei ihm nicht wenig. — Herr Popitz soll um die Regie der
Stücke sehr verdient seyn. — Von Herrn Lange ist kurz
30zu sagen, daß man hofft, er werde sich befleißigen, besser zu
werden.

  Im redenden Schauspiel sind Heldenrollen nicht besetzt. Ein
Herr Wittig, der sich darin versuchen wollte, jetzt aber
verabschiedet ist, erschütterte zwar, doch nur das
35Zwerchfell. — Erster Liebhaber ist Herr Braunhofer.
Stellenweise, besonders wo mehr Ruhe als Phantasie in der
Tragödie vorherrscht, recitirt er trefflich. Einen Charakter
vermag er nicht darzustellen und scheitert in jeder shakspearischen
Rolle. Romeo tragirt er gleich dem Jaromir. Stimme,
40Gesicht und Haltung dieses Mimen müßte ihn bewegen, im
Fache der Intriguants und der Alten den Ruhm zu suchen,