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[GAA, Bd. IV, S. 69]

 


verdient der Tondichter Dank. — Frl. v. Weber gab die
Anna als Debut; ihr Spiel ist matt, ihre Stimme dünn, noch
von wenig Schule zeugend; Triller und Rouladen versuche
sie privatim, denn im Theater hört man hierin bei ihr nur
5ein Streben, welches im Versagen der Stimme verunglückt.
Als erste Sängerin genügt sie nicht, — aber daß
sie Ermunterung ver-[S. 309 b]dient, daß bei ihrer Jugend sich
das Bessere entwickeln kann, gesteht Ref. gern ein. — Herr
Strobe (George) schien einigemal im Vortrage wanken zu
10wollen, woran am Ende die Bewegungen seines Körpers Schuld
sind, mit denen er bisweilen seinen Tönen, so wie sie in die
Höhe gerathen, nachzuspringen strebt, und dann, wenn er
einer Dame seine Zärtlichkeit exponirt, wie eine Schlange, die
auf dem Hintertheile steht, in allen Wendungen von Brust,
15Kopf und Hals sich erschöpft. — Sehr erfreulich sind zwei
Erscheinungen, nämlich erstens, daß Mad. Spengler (Margarethe)
in die Rollen der alten Frauen übergetreten. Das
zeugt von viel Entsagung und von viel ruhiger Vernunft,
Erscheinungen, die man bei keinem Stande so hoch schätzen
20muß, als bei dem des Schauspielers, der so leicht in Gefahr
geräth, seine Kunstleistung und seine Person für Eins anzusehen.
Auf den Grund dieses Fortschrittes der Mad. Spengler
prophezeiet Ref. ihr, daß sie in den ältern Rollen (obgleich
man ihr noch die Sorge ansieht, mit der sie sich hinein studirt)
25etwas Großes leisten wird. — Zweitens ist es lobenswerth,
daß die Mad. Hoffmann, die Jüngere, (Jenny) sich selbst
überwunden, und, wenn Ref. nicht sehr irrt, die früher zu
große Beweglichkeit des Auges gemäßigt hat. Man hoffet, daß
dieses von Dauer seyn und auch während des stummen
30Spiels nicht vergessen wird. Selbstüberwindung setzt Selbstkenntniß
voraus, und in der Selbstkenntniß findet Ref. die
erste Spur des Talents. So glaubt er nun, daß die Mad. Hoffmann
d. J., die gewandteste Schauspielerin unsers Theaters,
ihren Rollen bald mehr als den Anstrich der Gewandtheit,
35sogar Originalität geben kann, wenn sie sich bemüht, die resp.
Verschiedenheiten derselben klar [S. 310 a] zu erkennen und
darnach ihr Spiel, sey es fürerst auch nur im Einzelnen, zu
modificiren. Das weitere giebt sich von selbst, und der Vortrag
mehrerer Stellen im Käthchen von Heilbronn, z. B. des Verses
40„der Rhein ist mir vor allem gegenwärtig“ überzeugte Ref.
schon früher, daß es dieser Dame an Auffassungskraft nicht