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[GAA, Bd. IV, S. 71]

 


Hand ging es wie weiland in anderer Art Previlles
Füßen: sie war nicht verliebt, denn mitten in seinen
amoureusen Versicherungen schlug er damit wiederholt auf
das Ende des Husarenkamisols, in der Gegend des Magens.
5Ueberhaupt sind mehrere Schauspieler da, denen man so ziemlich
anmerkt, daß es ihnen nicht einerlei ist, welcher Schauspielerin
sie für den jedesmaligen Abend die Cour machen
müssen. (Man bittet, dem Referenten, der so selten im Leben
oder in der Kunst etwas Ganzes gesehen hat, die Passion zu
10verzeihen, mit der er sich oft an solche, manchem nicht auffallende
Einzelheiten hängt und aus ihnen seine Schlüsse zieht.)
— Herr Spengler (General Blankendorf) würde Verweisung
oder Arrest er-[S. 311 a]halten haben, wenn er mit einem
so bramarbasirenden Tugendton à la Lafontaine, wie er sich
15dessen im 3. Acte bediente, vor Friedrich II. getreten wäre. —
Dem. Herzinger (Julie) spielt doch noch immer gar zu
flach; scheint aber gut zu memoriren. — Gute Einfälle hat
des Königs Befehl wenig; auch die Fürsorge, daß hier im
Theater eine Coulisse einfiel, half nichts. — Nach Aufführung
20des Stückes debutirte ein Herr Brettschneider
mit der ersten Arie des Tamino aus der Zauberflöte. Herr
Brettschneider thut im Chor der Oper gute Dienste, seine vorgetragene
Arie läßt aber Ref. hoffen, daß man ihn sobald
noch nicht dem Publico in Hauptrollen vorführen wird. —
25Ein neu engagirter Bassist, Herr Gladbach, trug gleichfalls
eine Arie vor. Aus dem Baß des Herrn Gladbach kann
etwas Gutes werden; bis jetzt leidet er noch an Fehlern der
Jugend, nämlich an Mangel der Ausbildung und an Streben
etwas Imposantes zu leisten, woraus denn ein Gurgeln in der
30Kehle und ein „Gröhlen“ hinter den Kinnbacken entsteht.
— Am 19. Septbr. erfreute uns die Dem. Herold als
Tancred in der Oper gl.[eichen] N.[amens.] Ihre Altstimme
ist in der Tiefe rein und angenehm, Übergänge in die Höhe
gerathen ihr etwas schroff; der Vortrag ist sehr deutlich. Nur
35fordert Tancred eine solche Geübtheit in Coloraturen, daß
eine Anfängerin nicht mehr als ein Wagstück leistet, wenn
sie darin auftritt. — Das Spiel der Dem. Herold ist etwas
befangen, ihre Gesten sind noch zu schüchtern und zu eckig.
Herr Strobe paßte als Tenorist für die Partie des Arsir
40nicht, auch hätte man, wie in Wien der Fall ist, ihn ausdrücklich
als Bruder der Amenaide auf den Zettel schreiben