Das Christian-Dietrich-Grabbe-Portal
 
GAA, Bd. IV, S. 80 zurück Seite vorwärts

[GAA, Bd. IV, S. 80]

 


seine Gesichtszüge ganz steif sind, aber seine kleine Figur versteht
er auf dem Theater bisweilen herauszuputzen. Im Vortrag
der Alexandriner (im Freimaurer) kann er selbst von Madame
Lorzing noch lernen; er bildete in dem Stücke zu ihr, die sonst
5auch die gereimten Verse wie ein Schleppkleid umherzieht,
eine wahre Folie. — Der Herr Schellhorn, mehr Aushelfer als
für gewisse Rollenfächer bestimmt, verdient in Familienstücken
das Lob, nur selten eine Rolle zu verderben. In „Verbrechen
aus Ehrsucht“ hätte er, als alter Ruhberg, oder die Mad.
10Spengler, die seine Frau darstellte, aber den Geldbeutel
beachten und aufheben sollen, der am Ende des Stückes als
deus ex machina ihnen vor die Füße geworfen wird — aller
Schmerz ist durch diesen Geldbeutel in Iffland's Stücke (wie
gewöhnlich) zwar geheilt; darum war er jedoch auch in Obacht
15zu nehmen, denn gesetzt, ein Schuft vom Bedienten entwendete
ihn, so finge das Schauspiel von neuem an. — Herr
Pichler jun. erreicht, trotz seiner Jugend, in ältern komischen
Rollen und in Charaktermasken die ersten Muster, die ich in
Deutschland kenne. Ein junger Mann im 23sten Jahre charakterisirt!
20 Das thun unsere genialen Dichter kaum im
40sten, meistens nie. — Merkwürdig, daß wir keinen eigentlichen
Intriguant besitzen.

  Unsere Oper (bei welcher wir mehrere oben genannte Personen,
die zugleich Sänger sind, wieder erwähnen müssen)
25steht unter der Leitung des Musikdirectors Hoffmann. Ob es
diesem Manne bei Direction unsers braven Orchesters an
genügender musikalischer Bildung oder an musikalischem Gefühle
fehlt, beruhe auf sich. Ziemlich einförmiges Tempo,
unberechnetes Forte und Piano, falsche Tacte, unglückliche
30Auflösung der Accorde etc. sind nicht rar. Die Ouverturen
zum Schnee und zum Freischütz gehen wie flüchtig gewordene
Post-Rumpelkasten an uns vorüber. An Anstrengung fehlt
es ihm nicht, denn wenn die Sänger einige Tacte verfehlen,
so pflegt er meistens hinterdrein mit Gesicht und Hand dem
35Orchester zuzuwinken, sie wieder einzuholen (im Freischütz,
im Schatzgräber) kommt er indeß zu spät. Auch die Besetzung
der Opern-Sänger ist schlechter geworden als früher.

  [S. 404 a] Fräulein v. Weber (wie man sagt, eine Nichte
K. Maria's v. Weber) wird in zweiten Parthieen jede Bühne
40zieren, und man gesteht dieß um so herzlicher, als sie durch
fleißiges Streben sich Tag für Tag die Gunst des Publikums