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[GAA, Bd. IV, S. 180]

 


haben sollte, da er bisher auf der Bühne eher den Bonvivant
als den Gefühlsmenschen schien spielen zu können. Es
gab Augen, welche nach Handschrift der Stiefelwichse, mit der Iffland die
Poesie an- und einschwärzt und beklext, nichts fragten, aber
5bei den Scenen zwischen Anton, Friederike, dem Vater Oberförster
und der Mutter, sich, so hart sie auch seyn mochten,
einiger Tropfen des Mitgefühls nicht erwehrten und nicht
schämten. Hr. Seeliger kann mehr als er weiß, nur muß er
nicht aftervornehm affectiren und nicht mit der Zunge schnalzen,
10welch Beides er heute vermied, und Handschrift dadurch sein echtes
Schrot und Korn zeigte. — Die Schenk war durchaus liebenswürdig,
und es that Manchem gewiß leid, daß sie in einem
Act (ich glaube, es war der vierte) so lang in Ohnmacht liegen
mußte und nicht spielen durfte. — Was wirken soll, muß
15stark seyn, und bricht's dann, macht's so größeren Effect. Das
hatte Hr. Henckel bei seinem Oberförster nicht ganz
beachtet. Er nahm von Anfang an die alte Rüster oder Eiche
viel zu leicht und beweglich, und erinnerte, als er weh thun
Handschrift sollte und wollte, den Zuschauer mehr an Betrachtung über
20die Wege, welche ein Künstler einschlagen muß, als an die
Kunst. Das Größte der Kunst ist nämlich, sich selbst vergessen
zu machen, und bloß das Product zu zeigen, wie ad ex. Hr.
Benzenberg es mit seinen Mondsteinen, Cometen und in specie
mit seinen von ihm angekündigten literarischen Krebsen mit
25Glück zu machen versucht, die ich bis dato all nicht sah. —
Matthes war nicht kräftig genug. Er schadete der Darstellung
Handschrift nichts, konnte ihr aber mehr nützen. — Die Dem.
Stephany verzeihe, daß ich sie erst jetzt erwähne. Eine
Störung ist Ursach gewesen, daß ich sie nicht eher als in
30diesem Augenblick erwähne. Sie war ganz Weib, nicht dumm
und nicht klug, sondern ein Gefühlsthier. Nur hätte sie als
iffland'sche Oberförsterin etwas mehr im Wimmern thun
können, was glücklicherweise ihr gesunder Natursinn vermied.
Iffland will Jäger geben, läßt Handschrift sie auch bei einem kalten Morgen
35mit einer heißen Tasse Caffée anfangen, wie nur ein
großer Poet, der alles aus der Natur greifen muß, es thun
kann. Wie fährt er der Dichter der Jäger aber fort? Mit
Saalbaderei in 5 Aufzügen, wobei wir Zuschauer dito aufgezogen
werden. Ifflands übriges Gezeug ist indeß zum Glück
40noch schlechter, weil's meist sich um Geld dreht, Handschrift hier doch
ein ehrenvoller Handel um Leben und Tod in's Spiel kommt.

 

 
 
Werktext:Anmerkungen: