Das Christian-Dietrich-Grabbe-Portal
 
Nr. 136, siehe GAA, Bd. V, S. 186thumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Ludwig Tieck (Dresden)
Brief

      Handschrift Verehrtester Herr und Meister!

  Die schönste und größte Zeit meines Lebens war die, wo
ich mich persönlich von Ihnen belehren lassen konnte. Sie
15flößten mir durch Ihr Urtheil soviel Zutrauen zu meinen
Werken ein, daß ich es gewagt habe, sie drucken zu lassen,
und zwar um so mehr, als ich jetzt, wie Sie verehrtester
Meister! zu wünschen schienen, auch im bürgerlichen Leben
als Advocat und Substitut des Auditeurs fest und sicher
20stehe. Einigemal streiten meine Ansichten (insbesondere in der
Abhandlung über Shakspeare) zum Handschrift Theil mit den Ihrigen. Die
Ihrigen sind gewiß die geistreicheren und besseren, — aber
grade Sie, verehrtester Herr, werden als großer umfassender
Dichter auch die freie Aeußerung meiner Ansichten nicht mißkennen.
25

  Ein Exemplar meiner Werke ist angebogen, und innig hoffe
ich um eine geneigte Antwort aus Ihrer Feder.

   Mit größter Hochachtung und Liebe verharre ich
   / verehrtester Herr und Meister!
                                   
Detmold den 30st Oct. 1827.    gehorsamster Grabbe.

(Dieser Brief ist während meiner Anwesenheit
in Frankfurt a. M. abgeschickt)
[Adresse:] Handschrift An den Herrn Hofrath Dr. L. Tieck Wohlgeboren
35in Dresden. Frei. Anbei ein Paquet mit Büchern. [Von fremder
Hand:] In Auftrag des Verfassers beigefügt. Joh. Christ. Hermann'sche
Buchhandlung

[GAA, Bd. V, S. 187]

 

 


136.

H: Doppelbl. in 40; 2 S., Adresse auf S. 4.
  Ein quer durch das erste Blatt gehender Riß ist auf die Art ausgebessert
worden, daß man die Ränder aufeinander geklebt hat.
Dadurch sind einige Worte teilweise verdeckt worden; jedoch kann

[Bd. b5, S. 535]

 


an keiner Stelle eine Unklarheit darüber aufkommen, wie sie zu
lesen sind.
F: GrA
D:Briefe an Ludwig Tieck“, Bd 1, S. 252—53, als Nr V.
  Donnerstag, den 5. Juni 1828, war Ludwig Tieck mit seiner
Familie und der Gräfin Finkenstein bei Heinrich Brockhaus in
Leipzig zu Gaste. Am Mittagessen nahmen ferner Hofrat Johann
Georg Keil, ehemals Bibliothekar an der Großherzoglichen Bibliothek
zu Weimar, Professor Amadeus Wendt, Adolph Wagner und
Luise Wagner, Richard Wagners Schwester, teil. Die „ganze Gesellschaft
“, so vermerkt Heinrich Brockhaus in seinem Tagebuche, „war
aufgelegt, besonders aber Tieck, der höchst liebenswürdig und unterhaltend
war. Er erzählte wieder von dem stud. jur. Grabbe, dessen
dramatische Produktionen ihrer Gräßlichkeit wegen jetzt eine Art
von Aufsehen erregen, und den er in Dresden auf gewisse Weise
unterstützt hat“. („Aus Tiecks Novellenzeit. Briefwechsel zwischen
Ludwig Tieck und F. A. Brockhaus.“ Hrsg. von Heinrich Lüdeke
von Möllendorff. Leipzig, Brockhaus 1928 = „Aus dem Archiv
F. A. Brockhaus. Zeugnisse zur Geschichte geistigen Schaffens“. Hrsg.
Hermann Michel. Bd 3. S. 56.) Der Herausgeber setzt erläuternd
hinzu, Tiecks Interesse für Grabbe, der im Frühjahre 1823 zu ihm
nach Dresden gekommen sei, sei so lange wach geblieben, bis Grabbe
im zweiten Bande seiner „Dramatischen Dichtungen“ den Aufsatz
„Über die Shakspearo-Manie“ veröffentlicht habe, in dem Tiecks
schwacher Punkt getroffen worden sei. — In seinem aus Dresden
vom 1. Februar 1838 datierten Briefe an Brockhaus skizziert Tieck
verschiedene literarische Pläne, u. a. den einer „für unsere Zeit interessanten
Correspondenz“, in zwei Bänden oder einem starken. In
sie wollte er auch Briefe Grabbes aufnehmen, „den die konfuse
Jugend ja so hoch stellen“ wolle. (Ebenda S. 125.)