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Nr. 139, siehe GAA, Bd. V, S. 190thumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Georg Ferdinand Kettembeil (Frankfurt a. M.)
Brief

Handschrift Bester Freund,

auch diesen Brief muß ich in größter Eile vor Abgang der
Post schreiben, um umgehend auf Dein eben angekommenes
Schreiben zu antworten. Wir sind in Kampf mit dem Publico
5getreten und im Kampf ist Schnelligkeit schon ein halbes
Genie. Darum bitt' ich, antworte dem Herrn Kunz (dessen
Brief ich wenigstens für einige Zeit wohl zurückbehalten darf)
baldmöglichst; sag' ihm von mir, was Dir gutdünckt (in ähnlichen
Fällen richte Dich nur immer auch ohne meine ausdrückliche
10Zustimmung nach Deinem Gutfinden), bezeichne
ihm meine bürgerliche Lage als Auditeur und Advocat hierselbst
pp. Etwas kennst Du von den Verhältnissen, die auf
mich eingewirkt; ganz kann ich sie Niemanden, oder Dir
höchstens mündlich einmal vertrauen; Sohn ziemlich geringer
15Eltern (jetzt statt ? — Zuchtmeister, Zuchthausverwalter),
mitten in Gefängnißscenen als Kind erwachsen, sodann selbstständig
und ohne Controlle die Schule besuchend, in den höchsten
Ständen Zuneigung findend, früher bloß Wissenschaft
liebend, besonders Diplomatik und zu diesem Fache bestimmt,
20— dann — dann — in innere und äußere Abgründe, die ich
stets bestmöglich verstecken mußte und muß, — Haß auf die
detmoldischen kleinlichen Umgebungen a priori und doch
jedem schmeichelnd, — Leipzig, Berlin, — durch Tiecks Ruf
in Dresden, — vor Kunstgeschwätzen und — daraus fortgegangen,
25— nun in ein vielfaches Geschäftsleben als Jurist geworfen,
— braue daraus pp, was Du magst.

  Der Pöbel (wozu mancher Autor gehört) entscheidet mit
seinen Stimmen nichts; tausend und tausendmal werden Individuen
aus ihm sich gegen uns erheben; das Beispiel des
30Kunz, früher Tiecks, zur Noth Wends p zeigt aber, daß die
Besseren anders reden werden, und diesen folgt zuletzt überall
der Haufe. Ich werde gar nicht ärgerlich, wenn Jemand die
Sachen tadelt; das wußte ich vorher. Der Tadel selbst wird
aber öffentlich ganz gewiß in toto so ausfallen, daß unsere
35Sachen nur Aufsehen erregen. Du hast mir schon eine ganze
Menagerie von Eseln, Ochsen und Affen, die in Frankf. raisonnirt
haben, aufgezählt. Laß sie! Urtheile über das Ganze
wirst Du selten finden; der Dummkopf hängt sich an das
Einzelne; das Ganze ist ein Meer, das Einzelne der Handschrift Strauch,

[GAA, Bd. V, S. 191]

 


an dem er sich daraus vor dem Ersaufen rettet. — Daß Hauf
todt, ist wohl Schade; sorge, sorge ja für eine Recension in
das Morgenblatt. Kunz und sein Freund (also 2 Recensionen in
verschiedenen Blättern) kommen wirklich allerliebst! — Da
5ich den Brief des Kunz noch nicht zurückschicke, so hier für
Dich die Notiz, daß er vom 23 st Nov. d. J. ist, und daß
Kunz besonders (wenn Du nicht mehr dran denken solltest)
Manches aus dem conventionellen Leben des Poeten abzuleiten
sucht. Er hat eine gute Nase.

10  Sind die Sachen auch in den Berliner, Leipziger Zeitungen,
so wie in den Beilagen der ästhetischen Journale angekündigt?

  Pto Müllners hast Du von mir schon Notiz, und zwar unmaaßgeblich.


  Pto des Preises der Bücher, erklärt jeder Gescheute, es für
15Recht, daß er hoch gesetzt ist.

  Pto Köchys Horen wird nicht viel daraus, wenn ich nicht
tüchtig helfe. Er hat indeß Verbindungen.

  Pto der Teufels- oder Esels-Zeitung in Hamburg, ist der
gute Ehemann der Händel-Schütz Redacteur davon, und hat
20er mich schon früher durch einen reisenden Schauspieler zur
Mitarbeit eingeladen, die ich indeß wohl nicht liefern werde.
Es wird nichts daraus.

  Herrlich, daß wir beide, wie Du sagst, schief sind; Paralellen
berühren sich nie, aber die schiefen Linien stoßen in einen
25Winkel zusammen, je schiefer je spitzer, und diesen spitzen
Winkel wollen wir den Leuten in die Augen bohren.

  Heute ist Napoleons Krönungstag, und der Tag von Austerliz.
Mich umwehen seine Donner, obgleich es auch einmal Zeit
wäre, über die Napoleono-Manie zu schreiben, und darzuthun,
30wie die Schufte Deutschlands, welche bei seinem Leben ihn zu
verachten strebten, jetzt am meisten preisen. Das kommt
daher: wer auf dem Berge steht, sieht seine Größe wegen der
Nähe nicht; in der Ferne erst wird er erhaben.

  Handschrift O wie viele lange Nasen werden in Deutschland bei unserer
35Werke Betrachtung wachsen, besonders die Nasen der Angegriffenen.
Wie mancher, selbst Houwald, wird seine Nase aus
der Lausitz hervor bis in das Morgenblatt stecken. Laissez!
Wir h[aben] den meisten Witz und werden nicht lächerlich.

  Um Gottes Himmelwillen, da hör' ich gestern ein hinter
40meinem Rücken gesprochenes Lob, welches so einzig als mancher
Tadel ist, nämlich die Pracht der Sprache im Gothland!

[GAA, Bd. V, S. 192]

 


— Nun, das geht. — Der Mr. Pichler setzt einige Scenen, am
Ende die meisten, in der Nanette über Romeo und Julie.

  Ist in der Selbstrecension Lob und Tadel klug gemischt?

  Kannst Du nicht weiter Recensionen in Blätter befördern
5oder auch nur Stellen, wär' es auch nur in der Frankfurter
Iris?

  Wirst Du mir im Anfange, wenn etwas Gedrucktes herauskommt,
nicht auf meine Kosten dasselbe, sobald es mich recensirt,
zur Ansicht übersenden? Ich werde es jedesmal binnen
104 Tagen zurückschicken.

  Die Post!

Detmold den 2t Dec. 1827. Der Dir stets treue,

                        aber unedle Grabbe.

  (Nb. ich habe diesen Brief nicht einmal wieder überlesen
15können, daher vielleicht Schreibfehler stehen geblieben. In
das Morgenblatt will Kunz' Freund schreiben; er wo anders
hin.)

[Adresse:] Handschrift An die Herrmannsche Buchhandlung (Herr Buchhändler
Kettembeil) Wohllöblich in Frankfurt am Main.
20Frei.

 

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  Ebene schließenChronologisch
   
1812Adolph Henrich Grabbe Nr. 3, 1812 — Dorothea Grabbe Nr. 3, 1812
1815Meyersche Hofbuchhandlung 
1816Meyersche Hofbuchhandlung 
1817Georg Joachim Göschen Nr. 14, 28. Juli 1817
1818Dorothea Grabbe Nr. 21, 11. Februar 1818 — Adolph Henrich Grabbe  — Meyersche Hofbuchhandlung 
1819Meyersche Hofbuchhandlung Nr. 27, 07. May 1819
1821Adolph Henrich Grabbe  — Dorothea Grabbe 
1822Dorothea Grabbe  — Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen Nr. a1, 28. Januar 1822 — Adolph Henrich Grabbe  — Ludwig Tieck 
1823Dorothea Grabbe  — Ludwig Christian Gustorf  — Adolph Henrich Grabbe  — Ludwig Tieck 
1824Ludwig Christian Gustorf Nr. 80, 12. Februar 1824 — Fürstlich Lippische Regierung Nr. 81, 14. Februar 1824 — Examinationskommission Nr. 85, 27. März 1824
1825Moritz Leopold Petri  — Fürst Leopold zur Lippe II. Nr. 90, 29. Dezember 1825
1826Fürst Leopold zur Lippe II. Nr. 91, 19. Januar 1826 — Christian Gottlieb Clostermeier  — Friedrich Wilhelm Helwing Nr. 94, 06. May 1826 — Meyersche Hofbuchhandlung  — Friedrich Wasserfall  — Christian von Meien Nr. 102, 15. Oktober 1826 — Fürstlich Lippische Regierung  — Moritz Leopold Petri 
1827Fürstlich Lippische Regierung Nr. 116, 07. Januar 1827 — Unbekannt  — Christian von Meien Nr. 119, 07. April 1827 — Christian Gottlieb Clostermeier Nr. 121, 01. May 1827 — Moritz Leopold Petri Nr. 123, 04. May 1827 — Georg Ferdinand Kettembeil  — Nikolaus Meyer Nr. 132, 21. August 1827 — Johann Wolfgang von Goethe Nr. 135, 26. Oktober 1827 — Ludwig Tieck Nr. 136, 30. Oktober 1827 — Friedrich Wilhelm Gubitz Nr. 140, 22. Dezember 1827
1828Fürst Leopold zur Lippe II. Nr. 144, 04. Januar 1828 — Christian von Meien Nr. 147, 10. Januar 1828 — Fürstlich Lippische Rentkammer Nr. 155, 24. Januar 1828 — Wilhelmine Koch Nr. 156, 26. Januar 1828 — Fürstlich Lippische Regierung  — Georg Ferdinand Kettembeil  — Nikolaus Meyer Nr. 165, 03. März 1828 — Friedrich Wilhelm Gubitz Nr. 167, 07. März 1828 — Christian Gottlieb Clostermeier  — Karl Gottfried Theodor Winkler Nr. 183, 02. April 1828 — Johann Karl August Kestner  — Louise Clostermeier  — Louise Christiane Clostermeier  — Unbekannt Nr. 213, 26. November 1828
1829Christian von Meien  — Friedrich August Rosen Nr. 223, 10. Februar 1829 — Friedrich Althof Nr. 224, 20. Februar 1829 — Meyersche Hofbuchhandlung  — Georg Ferdinand Kettembeil  — Secondelieutenant Carl Wilhelm Runnenberg Nr. 235, 01. August 1829 — Nikolaus Meyer Nr. 237, 03. August 1829 — Hermannsche Buchhandlung Nr. a2, 20. August 1829 — Louise Clostermeier Nr. 242, 05. September 1829 — Louise Christiane Clostermeier  — Friedrich Steinmann  — Fürst Leopold zur Lippe II. Nr. 250, 19. Dezember 1829
1830Friedrich Steinmann Nr. 259, 30. Januar 1830 — Georg Ferdinand Kettembeil  — Karl Gottfried Theodor Winkler  — Johann Heinrich Wist Nr. 268, 28. May 1830 — Louise Christiane Clostermeier  — Unbekannt Nr. 270, 15. Juni 1830 — Ernst Barkhausen Nr. 273, 03. August 1830 — Wolfgang Menzel Nr. 274, 03. August 1830 — Meyersche Hofbuchhandlung Nr. 278, 16. September 1830 — Nikolaus Meyer 
1831Nikolaus Meyer  — Georg Ferdinand Kettembeil  — Wolfgang Menzel Nr. 286, 15. Januar 1831 — Dr. Gustav Friedrich Klemm Nr. 293, 24. März 1831 — Fürstlich Lippische Regierung  — Christian von Meien  — Louise Christiane Clostermeier  — Fürst Leopold zur Lippe II. Nr. 324, 28. Juli 1831 — Valentin Husemann  — Moritz Leopold Petri 
1832Moritz Leopold Petri  — Georg Ferdinand Kettembeil  — Theodor von Kobbe Nr. 353, 10. Februar 1832 — Fürstlich Lippische Regierung  — Christian von Meien Nr. 361, 28. May 1832 — Fürst Leopold zur Lippe II. Nr. 362, 29. May 1832 — Johann Karl August Kestner Nr. a3, 18. Juni 1832 — Louise Christiane Clostermeier  — Secondelieutenant Carl Wilhelm Runnenberg  — Herrschaftliches Richteramt Nr. 368, 02. November 1832
1833Moritz Leopold Petri Nr. 369, 05. Januar 1833 — Fürst Leopold zur Lippe II.  — Friedrich Ballhorn-Rosen Nr. 377, 06. März 1833 — Meyersche Hofbuchhandlung  — Louise Christiane Grabbe  — Secondelieutenant Carl Wilhelm Runnenberg  — Christian von Meien  — Fürstlich Lippische Regierung 
1834Fürst Leopold zur Lippe II.  — Fürstlich Lippische Regierung  — Christian von Meien  — Karl Ziegler  — Dorothea Grabbe  — Wolfgang Menzel Nr. 477, 15. November 1834 — Eduard Duller Nr. 478a, 18. November 1834 — Louise Christiane Grabbe  — Moritz Leopold Petri  — Karl Leberecht Immermann 
1835Secondelieutenant Carl Wilhelm Runnenberg Nr. 499, 01. Januar 1835 — Dorothea Grabbe  — Karl Leberecht Immermann  — Unbekannt  — Karl Ziegler  — Carl Georg Schreiner  — Louise Christiane Grabbe  — Friedrich Althof Nr. 610, 10. Juni 1835 — Dr. Martin Runkel  — Karl Jenke Nr. 620, 18. Juni 1835 — Friedrich Schenk Nr. 620, 18. Juni 1835 — Moritz Leopold Petri  — Dr. Karl Heinrich Ebermaier Nr. 623a, 20. Juni 1835 — Wolfgang Menzel  — Gräfin Elisa von Ahlefeldt  — Ludwig Saeng Nr. a5, 27. Juli 1835 — A. L. Hons 
1836Karl Leberecht Immermann  — Eduard Duller Nr. 694, 21. April 1836 — Dorothea Grabbe  — Hermann Kunibert Neumann  — Heinrich Brockhaus Nr. 702, 11. May 1836 — A. L. Hons  — Karl Ziegler  — Carl Georg Schreiner  — Moritz Leopold Petri  — Louise Christiane Grabbe  — Christian von Meien Nr. 725, 24. Juli 1836 — Unbekannt Nr. 729, 08. September 1836
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