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Nr. 273, siehe GAA, Bd. V, S. 307thumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Ernst Barkhausen (Detmold)
Brief

      Handschrift Handschrift Lieber Barkhausen!

  Diese Geschichte schreibe ich im Garten, darum so schlechtes
Papier und alles so toll. In Paris ist Lärm, aber ich schicke
Ihnen nebenbei doch Depping./.Begemann. Sie waren nicht zu
5Hause neulich. Cliens Begemann wollte zu [Ihnen.] Er will
durchaus interponirt haben, — wahren Sie nur die Fristen,
bitte. Es ist eine ehrliche, pecuniairfähige Seele. Er muß mit
Ihnen sprechen. Sieht vielleicht die Sache queer an, ist hineingeritten,
und weiß nicht wie er auf das Pferd gekommen.
10Dieser Bescheid ist auch nur Nebensache und nach meinem
Urtheil eigentlich ein einseitiger nicht rechtskräftig werdender.
Vorsicht ist indeß gut. Das insinuatum scheint vom
29 v. M. zu seyn. Begemann sagte auch so was. Jetzt seh'
ich's näher an, und Drüner hat die 9 beinah wie eine 4 gemacht.
15Dann liefe heute die 10tägige vielleicht unnütze Frist
ab. Nach Diplomatik ist indeß wohl doch eine 9 da, wegen
der Krümmung der 9 am unteren Ende. Ueberlegen Sie. —
Begemann will Zeugen verhört haben. Ich kenne die Sache
nicht mehr. Gönnen Sie ihm den Spaß, daß er wenigstens
20die Fristen wahrt, und wenn Sie die 29 für 24 halten,
noch heute zur Vorsicht. — Wir sprechen uns ja
mündlich auch bald. — Wie geht's in der Welt her! Ich habe
den ganzen Tag über Paris und meine Prophezeihung, die
auch einmal eintrifft, geweint, und untersuche jetzt die Thränen.
25Picochrol ist drin. — Oblaten fehlen, siegle nicht zu,
sondern offen

      Ihr
Grabbe, oder ritterlich: Ebbarg von Zurückzu.

Detm. 3. Aug. (Geb[urts]t.[ag] d.[es] K.[önigs] von Preußen)

30                          1830.

  [Adresse:] Handschrift Sr Wohlgeboren dem Herrn Adv. E. Barkhausen
allhier.

 


273.

H: 1 Bl. in 20; 1 S., Adresse auf S. 2.
  Das Papier des Briefes ist von einer sehr geringen Sorte, der
Bogen am rechten Rande unregelmäßig berissen.
F: GrA

S. 307, Z. 5: [Ihnen.]] Das Papier ist an dieser Stelle offenbar
von einem Papierwurm zerstört; jedoch sind die unteren Enden
der beiden ersten Buchstaben eben noch zu erkennen.
  Der Empfänger: Wilhelm Ernst Barkhausen war am 26. Juni
1805 als Sohn des aus Hannover gebürtigen Pastors Georg Arnold
B. und der Henriette Dorothee Heistermann in Schlangen geboren
und nach dem Besuche der Landesschule Michaelis 1824 zur Universität
entlassen worden. Er studierte die Rechtswissenschaften, zwei
und ein halbes Jahr in Jena, wo er am 19. Okt. immatrikuliert
worden ist, ein halbes in München, und wurde nach bestandener
Prüfung unterm 29. Mai 1828 in die Zahl der Advokaten aufgenommen,
ihm auch die Ausübung der Advokatur bewilligt. Unterm
5. April 1836 wurde er zum Forstsekretär ernannt; als solcher starb
er am 6. Jan. 1843 zu Detmold an der Auszehrung.
S. 307, Z. 4: Depping / Begemann: Über diese Sache ist nichts
bekannt.
S. 307, Z. 6: interponirt: ein Rechtsmittel eingelegt.
S. 307, Z. 12: Das insinuatum: Das zugestellte Schriftstück.
S. 307, Z. 14: Drüner: Ludwig D., Bote bei der Justiz-Kanzlei,
gest. mit 53 Jahren am 17. Mai 1832 in Detmold.
S. 307, Z. 25: Picochrol: Eine chemische Verbindung dieses Namens
gibt es nicht, wie der Bearbeiter dank der Hilfe des Herrn Prof.
Dr. Reddelien in Leipzig hat feststellen können. Es möchte aber
nicht ganz unwahrscheinlich sein, daß Grabbe Picrochol meint. Dieser
Name ist zwar gleichfalls nicht nachweisbar, würde aber immerhin
einen Sinn ergeben. Dennheißt 'bitter' und'die
Galle'. Auch kommen die Silben 'Pikro' und 'Chol' für sich in
Namen chemischer Verbindungen häufig vor. Grabbe würde dann
sagen wollen, daß er Galle geweint habe.
S. 307, Z. 29: (Geb[urts]t[ag] d.[es] K.[önigs] von Preussen):
Friedrich Wilhelm III., König von Preussen, ist in der Tat am
3. August 1770 geboren.