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Nr. 93, siehe GAA, Bd. V, S. 114nothumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Fürstlich Lippische Regierung (Detmold)
Brief


ad 2476

Anl. 1

20                    G. P. M.

  Der nach dem Material geordnete Katalog über die in der
Bibliothek des weil. Präsidenten von Hoffmann befindlichen
Dissertationen, erstreckt sich auf 50 Quartbände und auf eine
beträchtliche Anzahl (fast 90 Stück) einzelner Dissertationen.

25  Die 50 Quartbände betreffend, fehlt von ihnen der 27ste,
welcher Dissertationen von Berkheim enthalten zu haben
scheint, indeß, da dieser Band selten im Kataloge angeführt
wird, wohl nur sehr wenige. Dafür finden sich in der Bibliothek
verschiedene andere, im Realkatalog nicht aufgenommene
30Quartbände voll Dissertationen, namentlich Illic. Ummii disputt.
ad processum, J. G. Simonis praesidium academicum in
2 voll., und das volumen novissimum der Dissertationen des
Strykius. Überdem sind viele Bände Decisionen, Controversien
und Observationen, welche, wie auch der Realkatalog hin und
35wieder beachtet hat, im Grunde ebenfalls nicht anders als
Dissertationen sind, vorhanden, z. B. von Finckelthaus, Brunnemann,
Fachineus pp. Nun wäre es ein Leichtes mit einem
dieser Quartbände den fehlenden 27sten Band zu ersetzen

[GAA, Bd. V, S. 115]

 


und im Realkataloge gleich den übrigen einzutragen. Die
innere und äußere Form dieses Kataloges erlaubt sogar noch
einige von den nicht aufgenommenen Bänden hinzuzusetzen
und so den Inhalt desselben immer umfassender und vollständiger
5zu machen.

  Die aufgenommenen auf circa 90 Stück sich belaufenden
einzelnen Dissertationen anbelangend, so befinden sich diese
meistens fremden Werken angebunden, z. B. Strykes Dissertation
de jure Sabbathi an Zieglers jus canonicum, obwohl
10auch nicht immer wie grade hier ein so naher Bezug zwischen
dem Inhalte der Disputation und dem angebundenen Werke
da ist. Auf jeden Fall ließen sich die meisten dieser Dissertationen
von den Büchern lostrennen. Nur bei denen des
A. Fritsch, von welchen ein großer Theil in dessen opusculis
15enthalten ist, möchte die Trennung beschwerlich seyn.

Detmold den 29sten April

          1826.
Grabbe.

 


93.

H: Doppelbl. in 20; 2½ S.
F: Acta die Vorschläge zur Anschaffung von Büchern für die
hiesige öffentliche Bibliothek betr. Vol: I. 1825—1833. (StAD.
L 77 A Fach 104a Nr 12I.) Bl. 24.

S. 114, Z. 22: des weil. Präsidenten von Hoffmann: Der lippische
Kanzler Ferdinand Bernhard, Edler von H. (geb. 1731). Nach Simon
Augusts Tode war er einer der Vormünder des Erbgrafen Leopold.
Dieser machte ihn, 1789 zur Regierung gekommen, zu seinem Regierungs
- und Kammer-Präsidenten, verschaffte ihm auch ein Adelsdiplom
von Wien, verabschiedete ihn aber am 10. April 1796, nachdem
er sich mit der Fürstin Pauline vermählt hatte. Nach fast
vierwöchigem Krankenlager starb von H. am 20. Febr. 1802 an
einem Schlagflusse und hinzugekommenem Nervenfieber zu Brake in
Lippe.

[Bd. b5, S. 490]

 


S. 114, Z. 26: Dissertationen von Berkheim: Ein juristischer
Schriftsteller dieses Namens ist nicht nachweisbar. Auch sind Dissertationen
von ihm im ersten Bande von Hermann Mundts „Bio-Bibliographischem
Verzeichnis von Universitäts- und Hochschuldrukken
vom Ausgang des 16. bis Ende des 19. Jahrhunderts
“ (Leipzig, Carlsohn 1936) nicht zu finden, und in der
Landesbibliothek zu Detmold kein Werk eines Berkheim nachweisbar.

S. 114, Z. 30 f.: Illic. Ummii disputt. ad processum: Vico oder
Ilico Ummius (1581—1643), gräflich oldenburgischer Geheimer Rat
und Landrichter zu Kniephausen, hat u. a. „Disputationes XXIII ad
processum judiciarium directas“ geschrieben, die 1612 in Jena erschienen
sind.
S. 114, Z. 31: J. G. Simonis praesidium academicum: Johann
Georg Simon (um 1636—1696) hatte nach der Vollendung seiner
juristischen Studien zuerst an der Hochschule in Jena neben häufigen
Disputationen Vorlesungen über Privat- und öffentliches Recht gehalten.
1694 war er als ordentlicher Professor der Rechte, unter gleichzeitiger
Erteilung des Titels eines kurbrandenburgischen Rates, nach
Halle berufen worden, wo er jedoch schon im dritten Jahre seiner
Lehrtätigkeit starb. Die große Reihe der in Jena verfaßten Disputationen
hatte er im Jahre 1687 zu Leipzig in zwei Quartbänden
unter dem Titel: „Praesidium academicum tomis 2 absolutum de
diversis materiis juris naturalis, gentium, publici et privati“ drucken
lassen. (Vgl. Eisenhart, ADB Bd 34, S. 376.)
S. 114, Z. 33: Strykius: Johann Samuel Stryk (1668—1715), von
1695 bis zu seinem Tode ordentlicher Professor der Rechte in Halle;
bis 1710 zusammen mit seinem bedeutenderen Vater Samuel, einem
Schüler Caspar Zieglers. Unter dem Einfluß des Thomasius nahm
er auch zu kirchlichen und kirchenrechtlichen Fragen Stellung und
erregte damit ein gewisses Aufsehen. So ließ er 1702 in einer „Dissertatio
de jure sabbati“ unter seinem Präsidium die Behauptung
verfechten, die Sonntagsfeier sei ein im Neuen Bunde veraltetes
Cärimonialgesetz. Seine Disputationen füllen die Bände 11 und 12
der sogenannten „Opera Omnia“ seines Vaters. (Ernst Landsberg,
ADB Bd 36, S. 698—99.)
S. 114, Z. 36: Finckelthaus: Sigismund F. (1580—1644), seit 1636
Ordinarius der Leipziger Juristenfakultät, seit 1639 auch Bürgermeister;
außerdem Mitglied des Schöppenstuhles und Präses im Konsistorium.
Seine wichtigsten Schriften sind: „Controversiae feudales“
(1630), „Observationes practicae“ (1636), „Tractatus de iure patronatus
ecclesiastico“ (1639). (Vgl. Muther, ADB Bd 7, S. 20.)
S. 114, Z. 36 f.: Brunnemann: Johann B. (1608—1672), hatte
1636 in Frankfurt an der Oder die ordentliche Professur der Logik
erhalten, wandte sich dann aber der Rechtswissenschaft zu und
wurde 1640 Professor der Institutionen, 1645 der Pandekten, 1646
des Codex, 1653 der Decretalen und Ordinarius der Juristenfakultät,
1664 kurbrandenburgischer Rat. Von seinen Schriften sind die bekanntesten:
„Commentarius in duodecim libros Codicis Justinianei“
(1663) und: „Commentarius in quinquaginta libros Pandectarum“
(1670). (Vgl. Steffenhagen, ADB Bd 3, S. 445—46.)

[Bd. b5, S. 491]

 


S. 114, Z. 37: Fachineus: Andreas F., aus Friaul, war pfalzgräflicher
Rat und Antezessor zu Ingolstadt, wo er einige Zeit vor 1622
gestorben ist. Er hat einen „Tractatus de bonorum possessione et
jure accrescendi“ (Ingolstadt 1589) und „Controversiarum juris
libros XIII“ (ebenda 1595—98) geschrieben. (Vgl. Adelung, „Fortsetzung
u. Ergänzung zu Christian Gottlieb Jöchers allgemeinen
Gelehrten-Lexico“ Bd 2, Sp. 999.)
S. 115, Z. 9: Zieglers jus canonicum: Kaspar Z. (1621—1690),
seit 1662 Ordinarius der Wittenberger Juristenfakultät, bald darauf
auch Mitglied des Wittenberger Konsistoriums. Seine Schriften, gegen
80 an der Zahl, gehören fast allen Disziplinen der Rechtswissenschaft
an. Die hervorragendsten sind dem Kirchen- und dem Staatsrechte
gewidmet. Sein Kommentar zu Johann Paul Lancelotts Werke
„Institutiones juris canonici“ ist zuerst 1669 in Wittenberg erschienen;
er war zu seiner Zeit wegen seiner kritischen Schärfe sehr
geschätzt. (Vgl. Max von Waldberg, ADB Bd 45, S. 184—87.)
S. 115, Z. 14: A. Fritsch: Ahasverus F. (1629—1701), zuletzt
Kanzler in Rudolstadt. Er gehört zu den fleißigsten und fruchtbarsten
Schriftstellern seiner Zeit. „Seine Schriften, an Zahl gegen
300, sind historischen (auch zur Erläuterung der Geschichte Schwarzburgs
und der vaterländischen Rechte dienend), antiquarischen, juristischen,
besonders auch publicistischen und germanistischen Inhalts,
zu denen auch sehr viel geistliche, ascetische und paränetische hinzukommen.
“ (Anemüller, ADB Bd 8, S. 108—09.)
  Dieses Schreiben sowie das an den Kammerdirektor Helwing vom
6. Mai (Nr 94) bilden die Anlagen zu Helwings Bericht an die
Regierung vom 6. Mai (Nr 2476. Bl. 23 des Faszikels). Die Regierung
hatte sich bereit erklärt, die kleinen juristischen Abhandlungen,
welche sich in dem Nachlasse der verstorbenen Präsidentin von Hoffmann
zu Brake vorgefunden hatten, für die Fürstliche Bibliothek
anzukaufen. Es waren 50 Bände, deren jeder mit einem Gulden
bezahlt werden sollte. Mit Bezug auf das als Anl. 1 angeschlossene
Promemoria Grabbes bat nun der Kammerdirektor die Regierung,
den Bibliothekar Wasserfall zu autorisieren:
      „jene 50 Bände, mit Ausnahme des fehlenden 27sten in
      Empfang zu nehmen, u. für diesen mit dem Hrn. p
      Grabbe eine Entschädigung zur Ergänzung jenes Kauf-
      preises, außerdem aber die in dem Realcataloge nicht auf-
      genommenen Quart-Bände voller Dissertationen, und die
      Bände Decisionen, Controverse u. Observationen, da sie
      der Realcatalog hin und wieder beachtet hat, u. sie im
      Grunde auch nichts anders, als Dissertationen sind, und
      den nach Analogie jenes Preises zu bezahlenden Werth
      auszumitteln, und die Trennung der fraglichen 90 Disser-
      tationen von den Büchern thunlichst zu befördern, auch
      die darnach sich erhöhende Kaufsumme in toto beliebig
      vorzuschlagen, bis dahin die Assignation also ausstehen
      würde.“
  Nachträglich fügte er das Schreiben Grabbes vom 6. Mai als Anl. 2
bei, mit der Bitte, alles brevi manu durch den Bibliothekar Wasserfall
arrangieren zu lassen.

[Bd. b5, S. 492]

 


  Nunmehr verfügte die Regierung, Wasserfall möge in Gemeinschaft
mit Grabbe für den fehlenden 27sten Band der Dissertationen
eine, diesen ersetzende, Anzahl juristischer Abhandlungen auswählen
und einbinden lassen, auch den Realkatalog darnach ergänzen und
sich die ganze Sammlung für die Bibliothek abliefern lassen.
  In dieser Angelegenheit berichtete Wasserfall unterm 21. Juli 1826
(Nr 3598. Bl. 28.) Er bemerkte zunächst, Grabbe sei mit ihm der
Meinung, daß es nicht tunlich sei, als Ersatz für den fehlenden
Band die einzelnen zerstreuten Dissertationen von den größeren
Werken, zu welchen sie gebunden, zu trennen, weil dadurch der
Einband dieser Werke zerstört werde; daß es besser sei, ein ganzes
Volumen kleiner Abhandlungen zu wählen. Es folgt ein Vorschlag
in diesem Sinne. Sodann aber äußert Wasserfall den Wunsch, der
Ankauf dieser ganzen Dissertationen-Sammlung möge unterbleiben.
Gegen sein Gutachten ist er jedoch zustande gekommen.