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Nr. 25, siehe GAA, Bd. V, S. 16thumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Adolph Henrich Grabbe (Detmold)
Brief

            Handschrift Lieber Vater!

  Wir müssen in der Schule ein neues lateinisches Buch haben,
25welches ohngefähr 24 gr. kosten wird. Es heißt:

      Quinctiliani de institutione oratoria libri XII.

Du mußt es heute noch verschreiben, denn am Donnerstag muß
ich es gebrauchen. Wir haben es bey Falkmann; Du kannst ihn
fragen, wenn Du mir nicht trauen willst. Ein andres lateinisches
30Buch,Handschrift  das wir bey dem Professor haben: de finibus
bonorum a Cicerone brauchst Du nicht zu verschreiben, denn
ich habe es zu bekommen gewußt.

  Du weißt, wie sehr ich mich mit Shakespeare beschäftige,
dessen Ruhm Du in jedem Buche lesen kannst; du weißt, daß
35ihn Einer, der sich mit dem Drama abgibt, durchaus kennen

[GAA, Bd. V, S. 17]

 


muß; du weißt, daß ich mir auf diese Weise Handschrift vielleicht einstens
noch Geld verdienen werde. Shakespeare hat 50 Stück geschrieben,
davon habe ich 18 Stück in der berühmten Uebersetzung
von Schlegel, die eben so gut wie das Original ist. Diese
5Uebersetzung hat der weltbekannte Uebersetzer Johann Voß,
statt Schlegel, fortgesetzt; und von dieser Uebersetzung ist
der erste Band lange erschienen, in dem 4 Stücke von Shakespeare
Handschrift  übersetzt sind, die ich nicht habe. Das Buch kostet drey
Thaler; wenn du aber bedenkst, daß es so weltberühmt ist,
10daß ich so Vieles draus lernen kann, daß ich dereinst mir
vielleicht viel Geld damit verdienen kann, so weiß ich du
verschreibst es mir heute. Ich bin ja doch dieß halbe Jahr
fleißig gewesen, habe eine gute Censur gehabt und bin auf
Examen bestanden. Der Titel des Buches steht auf beyliegendem
15Blatte unter dem Titel des lateinischen Schulbuches.

                    Dein
                        gehorsamer
                            Sohn
                                
20                    Nachschrift.

  Du brauchst nur unter beyliegendes Zettel Deinen Namen
u. D. Adresse zu setzen, um es nach Lemgo zu schicken.
Dieß zeig Niemand, sonst narrt man mich damit.

      [Beilage.]

25Bitte mir, sobald wie nur möglich ist, zu übersenden:

1.Quinctiliani de institutione oratoria libri XII (Hiervon
eine mittelmäßige Edition.)
2.Shakspeares Schauspiele, übersetzt von Johann Heinr.
Voß und dessen Söhnen Heinr. Voß und Abraham
30Voß. Mit Erläuterungen. Erster Band, (der Romeo u.
Julie, Viel Lärmen um Nichts, den Sturm u. den Sommernachtstraum
enthält) verlegt bey Brockhaus.

Detmold, den 17. Oct. 1818.

                              Grabbe,
35                            Zuchtmeister.
      An die    
          Meiersche    
              Buchhandlg.    
frei.in Lemgo.    

[GAA, Bd. V, S. 18]

 

 


25.

H: des Briefes: Doppelbl. in 40; 4 S., der Beilage: Infolge Kriegsverlagerung
zur Zeit nicht verfügbar.
F: des Briefes: GrA, der Beilage: DStBB (wahrscheinlich verloren.)

D: des Briefes: WBl IV 333—35, als Nr 3, der Beilage: Paul
Friedrich: Neues von und über Grabbe. In: Vossische Zeitung. Nr
579. 11. Dezember 1901. Morgen-Ausg.

S. 16, Z. 28: Falkmann: Siehe die Anm. zu Verweis zum Kommentar S. 10, Z. 16.
S. 16, Z. 30: bey dem Professor: Möbius; siehe die Anm. zu
Verweis zum Kommentar S. 10, Z. 15.