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GAA, Bd. IV, S. 198 zurück Seite vorwärts

[GAA, Bd. IV, S. 198]

 


bei uns Deutschen noch immer kein leeres Wort ist, sondern
von der Menge erwartet und verlangt wird. Im Stück aber
fährt sie in ihres Reisegefährten Wagen, ohne diesem Gefährten
etwas davon kundzuthun, ab. Und hier möchte die
5Sache etwas sehr über Billigkeit und Rechtsgefühl hinaus auf
die Spitze getrieben seyn. — Die Kammerfrau der Commerzienräthin
(Dem. Stephany) war ganz das verhätschelte,
brummige Geschöpf, welches sie seyn Handschrift muß. Auch die übrigen
Personen trugen möglichst bei, daß die Vorstellung rasch und
10gerundet vorüberging.

Grabbe.Handschrift 
24.
Handschrift Stadt-Theater.

  Sonntag, den 6. März: 1.) Zum Erstenmale: Die Brüder.
15 Lustspiel nach Terenz.

  Mitten unter den charadenmäßig zugespitzten modernen
Lustspielen einmal ein anderes, einfaches, 2000 Jahr altes,
zu sehen, erregt Verwunderung, und beweis't, daß echte Kunstwerke
nicht altern, und man sie nur dem Publicum darzubieten
20hat, um eines guten Erfolgs sicher zu seyn. Der Erfolg
der Vorstellung war zwar nicht eben ein rauschender, aber
man bemerkte, daß Handschrift von allen Seiten mit wohlwollender Theilnahme
der Versuch beachtet wurde.

  Terenz schrieb für Mimen in Masken. Unsre Schauspieler
25trugen keine, hielten indeß ihre Gesichter so fest in Ordnung,
daß man die Masken kaum vermißte. Und hier, wie im ganzen
Stück, muß man dem Hrn. Jenke I (Syrus) den Preis
zuerkennen. Er war bis in das Kleinste ein Sclav und Koch
aus jenen alten Zeiten. Das runde Gesicht, das geschorene,
30kurze, krause Haar, sein ganzes Treiben und Benehmen alles,
wie es seyn mußte. — Den milden Handschrift Micio gab der Hr. Limbach
gleichfalls sehr brav, und verweichlichte die Partie
nicht, welche ein gewöhnlicher Schauspieler zu einem halb
sentimentalen Schlaraffenonkel à la Iffland umgeschaffen hätte.
35— Den Demea gab Hr. Henckel mit sichtbarem Fleiß.
Diesen Fleiß sieht man in allen Rollen des Hrn. Henckel,

 

 
 
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