Nr. 183, siehe GAA, Bd. V, S. 239 | 02. April 1828 | | Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Karl Gottfried Theodor Winkler (Dresden) | Brief | | | | Vorangehend: keine | Nachfolgend: |
| Hochgeehrtester Herr Hofrath! Sie haben sich gegen mich benommen, wie ich es nicht 10verdiene. Denn die schaalen Namen- und Wort-Witze, die ich in meinem Lustspiele begangen, müßten Jeden mehr beleidigen oder doch mit Recht erzürnen, als bei Ihnen der Fall ist. Freilich wer meine Persönlichkeit kennt, wird mir derlei nicht übel deuten. Aber Persönlichkeit braucht und soll das 15große Publicum nicht kennen. Ich bin zwar wild und heftig wider jeden Angriff, sofern er mir bedeutend scheint, nur da, wo mir Mäßigung entgegen tritt, ist es mir (verb.[i] grat.[ia]) als fühle ich einen Maulkorb. Ihre Rec. meiner Siebensachen (nb. im 17—19 Jahre geschrieben) in der Abendzeitung war 20dergestalt gemäßigt. Ich danke. Anbei eine Recension über unser Detmolder Theater. Es kann bei seinen nicht unbedeutenden Mitteln besser werden als es ist; schon darum wurde mein Urtheil oft hart. Übrigens ist die Pichlerische Schauspielgesellschaft die berühmteste 25in Westphalen und verdient auch einige Worte in der Vespertina. Darum bitte ich die Recension baldgefälligst darin aufnehmen, auch mir (wenn auch gegen die Gebühr) ein Exemplar gleich nach dem Druck zukommen lassen zu wollen. Auf Verlangen können Sie unbedingt 30meinen Namen nennen. Ist Ihnen indeß, wie ich nicht hoffe, die Sache nicht paßlich, so werfen Sie dieselbe nur tacite zurück. — Die Aeußerlichkeit der Rec. bitte ich mi[r,] da ich sie gleich in's Reine schrieb, in Erwägung vieler Geschäfte zu verzeihen. [GAA, Bd. V, S. 240] Ich selbst schreibe jetzt am „Don Juan und Faust“ und an den „Hohenstaufen“ (deren Geschichte ich wohl noch besser als die römische kenne). Hochachtungsvoll und mit Aufrichtigkeit bin ich | | Wohlgeboren | | | / gehorsamster Grabbe | Detmold den 2t April 1828. | | (Auditeur) | [Adresse:] An den Herrn Hofrath Th. Winkler (Redaction der Abendzeitung) Wohlgeboren in Dresden. Frei. |
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183.
H: Doppelbl. in 40; 3 S. 5 Zeilen, Adresse auf S. 4.
Auf S. 4 Abgangsstempel: DETTMOLD ¾
F: GrA
D: „Findlinge“. Zur Geschichte deutscher Sprache u. Dichtung von
Hoffmann von Fallersleben. Bd 1. Leipzig, Engelmann 1860. S. 339,
als Nr 130. (Aus Robert Weigelt's Sammlung.)
S. 239, Z. 21: eine] ein H
S. 239, Z. 32: mi[r,]] an dieser Stelle ist beim Öffnen des Briefes
ein Dreieck mit Textverlust herausgeschnitten
S. 240, Z. 3: kenne).] kenne. H Mit diesem Worte beginnt die
vierte Seite
S. 239, Z. 17: verb.[i] grat.[ia]: zum Beispiele.
S. 239, Z. 19: Ihre Rec. meiner Siebensachen: Sie findet sich im
„Wegweiser im Gebiete der Künste und Wissenschaften“, einer
Beilage zur „Abendzeitung“, und zwar in Nr 17 vom 27. Februar
1828, S. 66—67 und schließt mit den Worten: „So viel mit Liebe
und Ernst von einer Erscheinung, die ihrer Natur nach nur eine
vorbereitende seyn soll und deren Folge wir daher mit den beßten
Hoffnungen erwarten.“ (S. 67.) Im „Gothland“ war dem Referenten
„manche tief ergreifende, sanft rührende und hoch erhebende Stelle“
entgegengetreten; „Nannette und Maria“, dieses „halbverwischte
Gemälde“, hatte ihn nicht angesprochen; dagegen ermunterte er den
Verfasser zur Vollendung des „Marius und Sulla“, da diese Tragödie
„in der That sehr gut angelegt und in dem, was bereits davon als
ausgearbeitet vorliegt, in Charakteren und Situationen wacker gehalten
“ sei. „Scherz und Ironie“ nennt er „eine von jenen ungeregelten
satyrischen Lustbarkeiten, wo mancher wackere Name ohne
Grund und Ursache mit Koth beworfen, Geachtetes gemein behandelt,
zügellos gescherzt und jede Schranke der Wahrscheinlichkeit,
oder auch nur der Möglichkeit im kecken Uebermuthe überschritten“
werde, macht aber nach dieser Verurteilung sogleich als mildernden
Umstand geltend, daß leider „Männer, deren Name in andern Beziehungen
mit Achtung genannt werden muß, den Ton dazu angegeben
“, und in der Welt nichts leichter sei, als „auf deren Autorität
sich stützend, solche Unziemlichkeiten und Träume Branntweinberauschter
Stunden in die Welt hinein drucken zu lassen“. (S. 66.)
Wiederabgedr. in: „Grabbes Werke in der zeitgenössischen Kritik“,
hrsg. von Alfred Bergmann, Bd 1, Detmold 1958, S. 73—76.
S. 239, Z. 21: eine Recension über unser Detmolder Theater:
[Bd. b5, S. 565]
Sie ist in den Nrn 99—102 der „Abendzeitung“ vom 24.—28. April
erschienen. Siehe Bd 4, S. 77—83.
S. 239, Z. 26: Vespertina: Die von Winkler unter dem Pseudonym
Theodor Hell herausgegebene „Abendzeitung“.