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Nr. 17, siehe GAA, Bd. V, S. 12thumbnail
Fürstin Paulina zur Lippe (Detmold) an Christian Gottlieb Clostermeier (Detmold)
Brief

                    P.[ro] M.[emoria.]

[...]

  Handschrift Von Grabben Senior und Junior habe ich eine gute Idee,
der Vater ist brav und pflichttreu, der Sohn fleißig, ordentlich
5und von ausgezeichneten Gaben, er wird zu seiner Zeit wohl
Anspruch auf die Stipendien des heiligen Kreutzes und der
11_000 Jungfrauen machen können. Nur in Hinsicht einer
Anwartschaft hindern mich folgende Umstände. Bey Antritt
meiner Regierung waren die Stipendien auf 6 Jahr praenumerando
10verliehn und zum Theil an Juden verpfändet, auch
jungen Leuten lange vor Antritt der Universitätsjahre versprochen,
die dann wie es dazu kam, sie weniger verdienten,
als viele andere sich darum Meldende. Ich verordnete hierauf,
daß das Stipendium erst bey würcklicher Erledigung vergeben
15und dann bey mehrerer Concurrenz ein Examen entscheiden
sollte, welcher der Würdigste sey: Danach ist bis jezt verfahren,
es ist neuerlich zwischen Recker und Crawinckel
vertheilt, und erst in 3. Jahren wieder apert. Sie erlauben
mir diese Auseinandersezzung als Beweiß wie viel Ihre Fürsprache
20mir gilt — [...]
Detmold    Paulina
den 7ten Februar    
      1818.    

 


17.

H: Doppelbl. in 40; 1¾ S.
F: Correspondenz cum Serenissima die Kritische Beleuchtung pp
betr. bis October 1818. [...] (GrA.)
T: WGr IV VII. (Nach einem Auszuge von der Hand des
Zuchtmeisters Grabbe, jetzt im GrA. Irrtümlich als eine Resolution
der Fürstin angesehen.)

[Bd. b5, S. 392]

 


  Der Empfänger: Christian Gottlieb Clostermeier ist als Sohn
des Bürgers und Weinschenks Christian Gottlieb Clostermeyer und
der Johanna Justina Clostermeyer zu Regensburg geboren und
daselbst am 17. Juni 1752 nach evangelisch-lutherischem Ritus
getauft worden. Er besuchte das Gymnasium seiner Vaterstadt,
lebte von 1771—1778 an der Leipziger Universität juristischen
und geschichtlichen Studien und nahm nachher eine Stelle als Erzieher
der beiden Söhne des lippischen Kanzlers von Hoffmann
in Detmold an. 1781 trat er in den lippischen Staatsdienst. Er
wurde Gehilfe des Archivars Knoch, mit dessen Tochter Louise
er sich 1790 verheiratete, nach dem Tode seines Schwiegervaters
(1808) dessen Nachfolger am Archiv, und im selben Jahre mit
dem Prädikat Archivrat ausgezeichnet. Eine Reihe ihm übertragener
Ehrenämter bezeugten seinen Pflichteifer und seine Arbeitskraft:
er war Mitglied der Landes-Unterstützungs-Kommission,
Kommissarius der Zuchthaus-Kommission und Deputatus der Regierung
in der Polizei-Kommission. Mit Einwilligung der Fürstin
Paulina gründete er im Jahre 1804, um die Not der Armen zu
lindern, im Zuchthause eine Leihbank. Auch die Einrichtung einer
Öffentlichen Bibliothek ist sein Verdienst. 1821 übertrug man
ihm deren Leitung, die er aber schon nach kaum zwei Jahren
wieder abgab, verärgert darüber, daß ihm die Regierung zu viel
dreinrede. In diesen Jahren erlitt C. mehrere schwere Schlaganfälle,
die seine Gesundheit untergruben und ihm bei seinen Arbeiten
die Hilfe seiner einzigen überlebenden Tochter Louise Christiane,
der nachmaligen Frau Auditeurin Grabbe, immer unentbehrlicher
machten. Am 10. Sept. 1829, Morgens 7 Uhr, ist C., seit dem
28sten Junius 1778 in Detmold, und dem 15ten November 1781
in Fürstlich Lippischen Diensten, wie es in der Todesanzeige der
Witwe („Lippisches Intelligenzblatt“ Nr 37, 12. Sept. 1829, S. 297
bis 298) heißt, „nach jahrelangen, mit christlicher Geduld ertragenen,
schmerzhaften Körperleiden und einem bittern Todeskampfe,
zur heiß ersehnten ewigen Ruhe“ eingegangen. Seine geschichtlichen
Arbeiten sind nur zum Teil im Druck erschienen. In dem Verfassungsstreite
mit den Ständen und Agnaten des Landes, in den
sich die Regentin Lippes verwickelt sah, trat er dieser 1817 mit
der, nur als Manuskript gedruckten „Kritischen Beleuchtung der
von Seiten der Landstände von Ritterschaft und Städten des
Fürstenthums Lippe der hohen Deutschen Bundesversammlung übergebenen
Druckschrift unter dem Titel: Geschichtliche und rechtliche
Darstellung der in dem Fürstlich Lippe-Detmoldischen Lande
rechtmäßig und vertragsmäßig bestehenden, jedoch dem Lande
vorenthaltenen, landständischen Verfassung und der pflichtmäßigen,
aber vergeblichen Schritte der Landstandschaft, die Wiederherstellung
derselben herbeizuführen“, zur Seite, einer Schrift, die eine
urkundliche Geschichte des Landes in Umrissen enthält. Mit Clostermeiers
Lieblingsthema befaßt sich seine Arbeit: „Wo Hermann
den Varus schlug“ (Lemgo 1822); eine andere (ebenda 1824) ist
dem „Eggesterstein im Fürstenthum Lippe“ gewidmet.

S. 12, Z. 17: Recker: Leopold Diedrich R. (auch Rekker oder
Reker) war am 6. Juni 1797 als Sohn des aus Blomberg stammenden

[Bd. b5, S. 393]

 


Predigers Philip Henrich R. in Salzuflen und der Florentine
Magdalene Krücke aus Detmold in Salzuflen geboren. Nachdem
er von Ostern 1813 bis Ostern 1816 das Gymnasium zu Detmold
besucht hatte, widmete er sich dem Studium der Theologie
und begann dieses an der Universität zu Göttingen, wo er am
13. Mai 1816 immatrikuliert wurde. (Vgl. Göttinger Matrikel
S. 567, unter Nr 25388.) Nach zweieinhalb Jahren ging er noch
für ein halbes Jahr nach Jena, bekleidete sodann anderthalb
Jahre eine Hauslehrerstelle, wurde am 25. Nov. 1821 examiniert
und im selben Jahre der Gehülfe seines Vaters, dem er 1826
im Amte nachfolgte. Er starb aber bereits im folgenden Jahre, und
zwar am 13. Sept., zu Salzuflen an einem Blutsturz im Gefolge
eines Schleimfiebers.
S. 12, Z. 17: Crawinkel: Simon Heinrich Ferdinand Krawinkel
war am 23. April 1798 zu Bösingfeld als Sohn des dortigen Kantors
Johann Hermann K. und der Wilhelmine Charlotte Grunderts
zu Rohrsen geboren. Er wurde am 21. Okt. 1817 bei der theologischen
Fakultät der Göttinger Universität immatrikuliert (vgl. Göttinger
Matrikel S. 590, unter Nr 26294), ist aber bereits am 9. April
1820 in seinem Heimatorte der Schwindsucht erlegen.
S. 12, Z. 18: apert: offen.