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Nr. 175, siehe GAA, Bd. V, S. 232nothumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Louise Clostermeier (Detmold)
Brief

20            Hochgeehrteste Frau Archivräthin!

  Sie selbst wünschten vor Ostern die Auction bewerkstelligt;
anders wie auf Morgen und Uebermorgen war
sie nicht anzuberaumen, wie schon der Kalender zeigt. Erben
haben sich nicht gemeldet, nur Schuldner, und das Gericht muß
25doch selbst Etwas zu sorgen wissen. Die Biographie
des Generals von Ochs ist sub nro. 92. des
Kataloges enthalten, den ich deshalb zur Ansicht
zurücksende. Die Bücher von Driesen habe ich längst zurückerhalten.
Bei Erp-Brokhausen will ich anfragen. Die Bücherauction
30kann nicht ohne Beschwer verschoben werden, weil
die Kataloge schon vertheilt sind. Der Herr Auditeur wollte
in letzter Zeit durch mich selbst seine Bücher verkaufen
und legte nur mit Recht auf die trefflichen juristischen
Bücher des Kataloges Werth, — das Wenige, was er verliehen
35zu haben schien, waren Romane und lückenvolle Zeitschriften
(z. B. an den Hrn. Lieutenant Driesen) und möchte
die ganze Masse der Insertionsgebühr nicht werth seyn, besonders

[GAA, Bd. V, S. 233]

 


da die Leute auf solche Aufrufe sich wenig melden. Auf
Befehl will ich jedoch die Insertion besorgen und können
die etwa einkommenden Bücher nachträglich öffentlich oder
unter der Hand verkauft werden, wozu ich mich gratis in
5jeder Hinsicht erbiete.

  Ich versichere, daß bey einer so kleinen Sache (denn der
Nachlaß ist wirklich unbedeutend) ich selten so viel Schwierigkeiten
gefunden habe. Keinem Ihres Hauses, was Sie mir übel
zu deuten scheinen, habe ich je die Schlüssel verweigert; Sie
10hatten erklärt, nicht Erben seyn zu wollen, und deshalb
nahm ich die Schlüssel in meine Verwahrung (nicht in die
eines Unterofficiers, obwohl diese Unterofficiere als Beauftragte
des Militairgerichts sie verwahren konnten.) Oder
heißt das Aufbewahrung, wenn ich einen Schlüssel mir durch
15eine Magd pp nach ein paar Augenblicken wieder übergeben
lasse?

  Begräbnißkosten stehen landesgesetzlich hinter den Gerichtskosten;
dennoch hat das Militairgericht aus Hochachtung gegen
Ihre hiesige Familie, die nie an die Erbschaft Anspruch machen
20wollte, alles derselben in dieser Hinsicht überlassen, — auch
das sollte, wie ich fürchte, verkannt seyn?

  Ganz gewiß passirt für den Nachlaß des Hrn. Auditeurs
(der auch bei seinen Lebzeiten in mich zweifelsohne
Vertrauen setzte) weder etwas Unanständiges noch pecuni-
25är Nachtheiliges, wenn derselbe Morgen unter Aufsicht
des Militairgerichtes verkauft wird; ich bitte gehorsamst,
meiner Versicherung dieses zu glauben; der verstorbene Hr.
Auditeur würde es auch thun.

  Es ist mir wirklich auffallend, wie ich Ihnen und Ihren
30Beauftragten Verstattung des Eintritts in das Zimmer des
Verstorbenen geweigert haben soll! Meine Pflicht (und
die verargen Sie mir sicher nicht) war es den Schlüssel selbst
aufzubewahren; er stand Ihnen aber stets, auf Ein Wort der
Magd, zu Diensten, und thut es noch jetzt jeden Augenblick,
35obgleich ich die Reinigung der Stube auch ohnedem besorge.

  Jede Abänderung hätte ich erwartet, aber nicht die der
Auctionsansetzung, und zwar in einer mir schmerzlichen Weise;
denn ich fühle gegen Sie, den Herrn Archivrath und Ihr
Fräulein Tochter wahre Hochachtung, und mich daran verkannt
40zu sehen, erfüllt mich um so mehr mit einem Schmerz, den
dieses Schreiben vielleicht unwillkührlich ausdrückt. In Geschäftssachen,

[GAA, Bd. V, S. 234]

 


als welche ich auch diese Erbangelegenheit betrachten
muß, mag ich leere Formen versäumt haben (denn ich
habe der ähnlichen Sachen nur zu viele), schwerlich aber
irgend einen juristischen oder moralischen
5Punct.

  Ich bitte innig, daß Sie, Hochgeehrteste Frau Archivräthin,
mir (auch um des Werthes des Nachlasses willen) einiges
Zutrauen schenken und die Auction vor sich gehen lassen, —
jede Kleinigkeit, die Bedenken erregt, läßt sich leicht zurücksetzen
10oder nachholen; — sollte aber mein klares, unumwundenes
Wort nicht Ihnen gefallen, so bitte ich:
   
geneigtest noch heute Abend zu
   erklären: ob die p Renner wirkliche
   Erbin seyn will, und diesenfalls, da

(NB. Um diese Erklärung
   ich das Vermögen der Ren-
bitte ich    ner nicht weiß, der Herr Archivrath
rechtlich dringendst    und Sie dafür selbst haften
und gehorsamst.    wollen, daß dieselbe gegen Empfang
Sie    oder Uebernahme des Nachlasses auch
entscheidet alles!)
   dessen Schulden incl. der Gerichtskosten,
   sofern sie gesetzlich specificirlich
   sind, bezahlen kann und wird, —
   welchemnach, binnen 2-4 Tagen


Ihnen der ganze Nachlaß mit den Verzeichnissen
25überliefert und die Auction
sistirt werden kann.

  Eine persönliche Zusammenkunft ist mir freilich von dem
Herrn Archivrath (den ich so sehr immer verehre) verweigert,
— dennoch bitte ich wiederholt auf heute Abend, wenn nur
30auf ¼ Stunde um dieselbe mit dem Herrn Archivrath oder
mit Ihnen; vielleicht wird sich Manches darin aufklären.
Jedenfalls hoffe ich, daß Sie diesen Brief, dem die Furcht
Ihre Achtung zu verlieren, zu Grunde liegt, wo nicht mündlich,
doch mit wenigen schriftlichen Worten beantworten, und, da
35Sie von meinem festen überdachten Verfahren überzeugt seyn
können, wohl auch nunmehr demselben in irgend einer
Art beistimmen.
         Ich bin mit größter Hochachtung
    Detmold                Ihro Wohlgeboren
d. 26sten März    ganz gehorsamster
        1828.                                  Grabbe.

[GAA, Bd. V, S. 235]

 

 


175.

H: 2 Doppelbl. in 20; 8 S. Von Schreiberhand; Unterschrift, zwei
Einschaltungen und Anstreichungen, sowie einige Unterstreichen von
der Hand Grabbes.
F: Rotb.

S. 232, Z. 25—27: Die Biographie des Generals [bis]
enthalten] Die zweite Unterstreichung stammt von Grabbe
S. 232, Z. 27: deshalb] Die Unterstreichung stammt von Grabbe

S. 233, Z. 24 f.: pecuniär Nachtheiliges] Die Unterstreichung
stammt von Grabbe
S. 233, Z. 28: würde es auch thun] Die Unterstreichung
stammt von Grabbe
S. 234, Z. 4 f.: irgend einen juristischen oder
moralischen Punct] Die Unterstreichung stammt von Grabbe
S. 234, Z. 15—20: (NB. Um diese Erklärung [bis] alles!)]
Von der Hand Grabbes
S. 234, Z. 12: geneigtest] Die Unterstreichung stammt von
Grabbe
S. 234, Z. 14—16: da ich das Vermögen der Renner
nicht weiß] Die Unterstreichung stammt von Grabbe
S. 234, Z. 36 f.: in irgend einer Art] Die Unterstreichung
stammt von Grabbe

[Bd. b5, S. 563]