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Nr. 36, siehe GAA, Bd. V, S. 30thumbnail
Adolph Henrich Grabbe (Detmold) an Christian Dietrich Grabbe (Detmold)
Brief

                                Handschrift 11te Br.
30Lieber Christian! [Detmold.] Den 29ten Sept 20 mit
/ 10 Pistolen

  Deine Briefe vom 13ten u. 22ten Sept. haben wir richtig
zu unserer Freude, daß Du noch gesund bist, erhalten. Wir
sind es bis dato auch noch.

35  Die mehrsten Freude die ich u. Deine Mutter haben, sind,
das Du im dem Hause bleibst, dieses müßen wirklich gute
Leute sein, u. haben auf Dich vielleicht Achtung gegeben,
daß Du als Student Dich sinnig u. gut betragen hast. Wir
freuen uns, daß Du Deine Schinken u. Bücher erhalten hast,

[GAA, Bd. V, S. 31]

 


mit den Schinken kanst Du die Ferien auskommen, u. die
Bücher wirst Du, als Deine Lieblings Bücher wol benutzen.
Wir haben keine Bücher mehr, bloß die Naturgeschichte.
Dein Quartier mit Aufwartung Betten p ist wirklich, u. dazu
5meßfrei nicht zu theuer, wenn es irgend möglich ist u. Dir
Deine Stube gefällt, so bleib darinn, so lange Du in Leipzig
Studiren willst. 10 Pistolen erfolgen angeschlossen anbei,
verzehre sie mit Gesundheit u. sei vergnügt. Neues ist hier
eben nicht, als die Jagd ist hier los gegangen u. der Fürst
10hat den 1ten Tag 16 Hasen geschossen. Die Fürstinn Paulina
ist noch immer kränklich. Gestern ist declamirt worden u.
die Ferien sind heute hier angegangen. Die Mutter ist nicht
nach dem Auditorium gewesen, sie sagt Christian ist nicht
da, was soll ich da den machen, ich bin aber hingewesen u.
15es waren 22 die declamirt haben. Michels war der erste u.
Langerfeld der letzte. Am besten haben mir gefallen Langerferfeld
Barkhausen u. Begemann. (Ich glaube Begemann würde
den besten gemacht haben, aber er hat noch keine männliche
Stimme, die Gestus p sind, was ich davon verstehe, gut.)

20  Es geht dem Winter entgegen, Du mußt Dich, als Dein
eigener Herr, auch um Holz p bekümmern, oder Du mußt
Deinen Wirth bitten, sorge dafür zu tragen. Was hat Dein
neuer Wirth für ein Gewerbe hat er Familie u. wie stark
wer verrichtet Deine Aufwartung? Handschrift Wenn Du keine kleine
25Reise vornehmen willst, so besiehe ja alles auf der Messe,
dieses hast Du umsonst. Petri hat nicht mehr declamirt Petri
hat Cölln an Dich einen Brief mitgegeben, der junge Ernst
Meier hat sich gegen seine Mutter beschwert, daß sein Freund
Grabbe noch gar nicht an ihm geschrieben hätte. Meier hat
30jetzt eine Reise nach Frankfurt gemacht.

  Den Werkmeister hat diesen Morgen der Schlag gerührt,
wie es wird weis ich bis diesen Augenblick nicht — dieses
wird vielleicht wegen des vielen — herkommen u. er mag
eine Nase gekricht haben, weil ihm gestern Nacht wieder
352 desertirt sind! Diesen Sommer gewiß 3 bis 4. Ein Deserteur
sollte nach Vorschrift der Regierung ½ Jahr bleiben u. Kruel
läßt ihm mit ¼ Jahr gehen, wie ihm der Obr. Lieutenant
B.[öger] hier aufmerksam auf macht daß er diesen Menschen
zu früh hätte gehen lassen, ist es auch richtig holt den
40Menschen wieder 8 Tag nachher ging er aber weg.

  Helwing in Lemgo kömmt diesen Winter nach Leipzig, so

[GAA, Bd. V, S. 32]

 


wie mir Petri gesagt hat. In Kammerraths Stein Hause ist
Auction u. ich habe die Auction so wie bei dem Amtmann
Kestner. Ich hätte es nicht gerne gethan aber der Secr Stein
wollten keinen andern dazu habe. Ich sollte Dich grüßen von
5Meister der ist schon seit dem 11ten Sept fort u. muß erst
am 26ten Oct. wieder in Göttingen sein. Gewiß sind in Göttingen
die Ferien eben so lange wie in Leipzig.

  Antworte ob Du von Cölln meinen u. Petri seinen Brief
erhalten hast. Die Mutter läßt bitten Du möchtest doch die
10Casemirne Weste anziehen, den es würde jetzt kalter u.
bedürfte keine Wäsche.

  Heute ist eine Urtel aus Leipzig hier publiciret worden wie
Deine Mutter das hörte, mußte ich gleich schreiben.

  Handschrift Du sollst mal sehen, wie Deine Mutter laufen kann, wenn
15sie Geld für Dich holen soll, denn ist sie nicht verdrießlich.
Die Schüler haben auch Ball im Schröderschen Hause gehabt.

  Der bekannte Tiemann in Meiersfeld, der mit Amtmann
Kestner Proceß führte, hat seinen Hof angesteckt u. sitzt in
der Hauptwache.

 


36.

H: Doppelbl. in 20; 2¼ S.
F: GrA
T: Gegenw. S. 11.
T1: WBl IV 609—10.

S. 31, Z. 17: (Ich] Ich H
S. 31, Z. 20: entgegen] fehlt H
S. 31, Z. 30: nach] fehlt H
S. 32, Z. 5: fort] fehlt H
S. 32, Z. 13: Mutter] fehlt H

S. 31, Z. 9: die Jagd ist hier losgegangen: Wegen der sich verzögernden
Ernte war die Eröffnung der Jagd auf den 18. September
festgesetzt worden.
S. 31, Z. 15: Michels: Dessen Persönlichkeit ist, zumal die Listen
der Schüler des Detmolder Gymnasiums aus jener Zeit nicht erhalten
sind, nicht zu bestimmen.
S. 31, Z. 16: Langerfeld: Siehe die vorhergehende Verweis zum Kommentar Anmerkung.
S. 31, Z. 17: Barkhausen: Vermutlich Dr. Hermann Wilhelm
Adolph B., geb. 3. Jan. 1805 als Sohn des Kaufmanns und Bürgermeisters
Franz Karl Ernst B. zu Detmold. Er hatte die Schule seiner
Vaterstadt besucht, war am 17. Mai 1823 als Student der Rechte
an der Universität Leipzig deponiert und inskribiert und unterm
19. Sept. 1826 nach voraufgegangener Prüfung in Detmold in die
Zahl der expektivierten Advokaten aufgenommen worden, hatte
aber nachher sein Studium fortgesetzt und ist am 20. Nov. 1829
noch einmal an der Universität Leipzig eingeschrieben worden. Dort
ist er am 23. März 1841 nach kurzem Krankenlager an den natürlichen
Blattern gestorben.
S. 31, Z. 17: Begemann: Der später durch seine Gedichtsammlung
„Blumen von der Saale“ (Jena, Bran in Komm. 1828) bekannt gewordene,
aus Stukenbrock bei Schötmar gebürtige Friedrich Wilhelm
B. (1803—1829).
S. 31, Z. 26: Petri: Siehe die Anm. zu Verweis zum Kommentar S. 22, Z. 20.
S. 31, Z. 27: Cölln: Siehe die Anm. zu Verweis zum Kommentar S. 26, Z. 8.
S. 31, Z. 27 f.: der junge Ernst Meier: Näheres über dessen Persönlichkeit
ist nicht zu ermitteln.

[Bd. b5, S. 415]

 


S. 31, Z. 31: Den Werkmeister: Friedrich August Bernhard Kruel
aus Remmighausen, get. am 13. April 1788, gest. am 26. April
1823 nach langem Leiden an der Auszehrung.
S. 31, Z. 37 f.: Obr. Lieutenant B.[öger]: Friedrich Adolph B.
war als Sohn Simon Henrich Adolph B.s, Lieutenants der lippischen
Karabiniers zu Röhrentrup, am 23. Juni 1767 zu Detmold geboren.
Am 14. April 1782 trat er als diensttuender Kadett in das Kreiskontingent
Lippe ein, wurde unterm 7. Juli 1784 zum Freikorporal,
unterm 4. April 1786 zum Feldwebel, weiterhin zum Seconde-Lieutenant,
unterm 25. Aug. 1794 zum Premier-Lieutenant und
unterm 20. Febr. 1800 zum Hauptmann befördert. Er nahm am
Tiroler Feldzuge des Jahres 1809 teil, wurde, unter Überspringung
des Majors, unterm 26. Nov. zum Obristlieutenant und Chef des
Bataillons Lippe ernannt und übernahm im August 1810 die Führung
des 5. Rheinbund-Regiments. Im spanischen Feldzuge geriet
er am 14. Sept. 1810 bei La Bisbal in englische Gefangenschaft.
Febr. 1814 kehrte er aus dieser nach Detmold zurück und wurde
dort zur Garnison-Kompagnie versetzt. Am 14. April 1832 konnte
er sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum begehen; bei dieser Feier
wurde er in Rücksicht seiner treuen Dienste zum Obristen ernannt.
Am 9. August 1839 ist er zu Detmold „ruhig und sanft nach einem
kurzen Krankenlager“ gestorben. Siehe auch Dewall S. 44, unter
Nr 10.
S. 31, Z. 41: Helwing: Siehe die Anm. zu Verweis zum Kommentar S. 21, Z. 25.
S. 32, Z. 1 f.: In Kammerrath Stein Hause ist Auction: Siehe
die Anm. zu Verweis zum Kommentar S. 26, Z. 6. Nach der Anzeige vom 21. September,
enthalten zuerst in Nr 39 der „Intelligenzblätter“ vom 23. September
auf S. 307, war die Versteigerung auf Montag, den 2. Oktober
und die folgenden Tage, Morgens präcise 9 und Nachmittags
um 2 Uhr festgesetzt. Dabei sollten gegen baare Bezahlung in Konventionsmünze
öffentlich meistbietend verkauft werden: „Juwelen,
Gold, Silber, Zinn-, Kupfer-, Messing-, Eisen-, Blech-, Holz- und
allerley Schreiner-, Drechsler- und Haus-Geräth, ferner Linnen,
Drell, Kleidungsstücke, Betten, Naturalien und Gartenfrüchte, eine
Kuh, ein Schwein, eine Ziege, sodann ein Feldmesse-Apparat nebst
Boussole, Astrolabium und Meßkette, auch eine viersitzige gut
conditionirte Chaise“.
S. 32, Z. 2 f.: Amtmann Kestner: August Philipp K. (1771—1837),
Regierungs-Advokat und Assessor, unterm 27. Jan. 1807 zum Justizamtmann
beim Amte Detmold für die Vogteien Detmold und Falkenberg
ernannt.
S. 32, Z. 3: der Secr. Stein: Wilhelm Albrecht Ernst St. (geb. 8.
Dez. 1769), der älteste Sohn des verstorbenen Kammerrats. Er war
zuerst Commissions-Sekretär und einer der bei den Obergerichten
rezipierten Advokaten und Prokuratoren, auch Aktuar der Neustädter
Kommission; unterm 5. Juni 1805 wurde ihm das erledigte
Kammer-Sekretariat konferiert.
S. 32, Z. 5: Meister: Siehe die Anm. zu Verweis zum Kommentar S. 19, Z. 5.
S. 32, Z. 17: Tiemann: Durch das Erkenntnis der Regierungs-Kanzlei
vom 14. Dezember 1820 wurde wider den Kolon T. Nr. 2
zu Meiersfeld der Konkurs erkannt. Der Termin zur Versteigerung

[Bd. b5, S. 416]

 


des Halbmeier-Kolonates mußte wiederholt verschoben werden, da
die abgegebenen Gebote hinter seinem wahren Werte zurückblieben.