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Nr. 114, siehe GAA, Bd. V, S. 140nothumbnail
Christian Gottlieb Clostermeier (Detmold) an Christian Dietrich Grabbe (Detmold)
Brief

25                    P. P.

  Die Rechnungsführung meiner Tochter für die Demoiselle
Caroline Koeler, gegenwärtig zu Halle in Sachsen, fing mit
dem 26sten Januar 1819 an, und endete mit einem Schreiben
an dieselbe von mir vom 17ten April 1826.

30  Ich habe die Rechnung meiner Tochter genau revidirt und
mit ihren Belägen in Einnahme und Ausgabe verglichen, und
alles in Ordnung gefunden. Aber ich kann in die Auslieferung
dieser Papiere an Ew. Wohlgeboren, oder an wen es sonst sey,
nicht consentiren, da der Fall einer Nachforderung, oder aus
35gedachten Papieren zu ertheilenden Aufklärung immer möglich
bleibt.

[GAA, Bd. V, S. 141]

 


  Ich habe in gedachtem Schreiben vom 17ten Apr. d. J. die
Demoiselle Koeler umständlich von ihren Vermögens-Umständen
und ihrer jährlichen Einnahme, auch von den einschlagenden
Verhältnissen ihrer Schwester und ihres Bruders unterrichtet,
5und können Ew. Wohlgeboren zu jeder Zeit die Einsicht
dieses Schreibens verlangen.

  Vermöge mehr erwähnten Schreibens behielt die Demoiselle
Caroline Koeler nach dem letzten Rechnungs-Abschluß noch
einen Bestand von 4. Thlr. 17 gr. 1½ pf. zu gut, welcher
10baar hiebei folgt, und erbitte ich mir eine gefällige Empfangsbescheinigung
darüber.

  An Obligationen besitzt die Demoiselle Caroline Koeler
4 Stück, und zwar 3. von Sültemeyer, nämlich:

1)eine vom 3ten October 1793 über 300. Thlr.

152)eine andere vom 3ten December 1802 über 47. Thlr.
18 gr und

3)eine dritte vom 31. December 1810 über 67. Thlr. 18 gr.

4)endlich noch eine vierte von Walter zu Hüntrup in der
Bauerschaft Müssen vom 26.sten August 1819 über
20200. Thlr.

welche also zusammen ein Vermögen von 615. Thlr. in Obligationen
bilden.

  Da diese Obligationen bereits an Ew. Wohlgeboren abgeliefert
worden sind, so erbitte ich mir auch eine gefällige
25Empfangsbescheinigung über dieselben.

  Die Vereinbarung mit dem Sültemeyerschen Hofe vom
1sten Nov. 1819 über die Art der Zinsenzahlung von den
auf demselben haftenden Capitalien haben Ew. Wohlgeboren
schon erhalten.

30  Detmold den 3ten December 1826.

Clostermeier.
    Nachschrift.

  Da die Original-Obligationen der Demoiselle Koeler an
Ew. Wohlgeb. ohne mein Vorwissen abgeliefert worden sind,
35so bin ich hiernächst daran erinnert worden, daß die drei
Sültemeierschen Obligationen in eine zusammengezogen worden
sind. Ew. Wohlgeb. werden demnach nur die Ablieferung
der vereinten Sültemeierschen Obligation gefälligst bescheinigen.


40  Detmold eod.

Clostermeier.

[GAA, Bd. V, S. 142]

 

 


114.

H: 2 Bl. in 20, S. 1—3 beschrieben. Der Brief selbst von einer
fremden, kalligraphischen Hand; Unterschrift u. Nachschrift eigenhändig.

  Im Auktions-Kataloge Nr LXXXV. der Firma C. G. Boerner in
Leipzig (Versteigerung vom 12. — 14. Nov. 1906) wurde ein aus
dem Nachlasse des Professors Hermann Althof in Weimar stammendes
Konvolut von Schriftstücken Grabbes angeboten und seinerzeit
von der Lippischen Landesbibliothek in Detmold erworben. Diese
Sammlung umfaßte folgende Schriftstücke:
I. Zwei Schreiben des Archivrats Clostermeier an Grabbe.
1. Detmold, 3. Dezember 1826.
2. Detmold, 9. Dezember 1826.
II. Entwürfe zu vier Schreiben Grabbes an die Demoiselle Caroline
Koeler in Halle.
1. Detmold, 14. April 1827. 1 Bl. in 20; S. 1 u. 2 beschrieben.
2. o.O.u.D. 2 Bl. in 40; S. 1 u. 2 beschrieben.
3. o.O.u.D. 1 Bl. in 40; S. 1 u. 2 beschrieben.
4. o.O.u.D. 1 Bl. in 20; von einem Briefe an Grabbe abgerissen.
S. 1 beschrieben.
III. Entwürfe zu neun Schreiben Grabbes an verschiedene Behörden.
(Sämtlich in 20.)
1.13. Okt. 1826. „An Hochfürstliche Rent-Cammer! Gehorsamste
Vorstellung mit Bitte des Advocaten Grabbe als Mandatars der
Demoiselle Caroline Köler in Halle an der Saale, Bitte um
Pensionsauszahlung betreffend.“ 2 Bl.
2.Exp. 20. Nov. 1826. „An Hochfürstliche Rentcammer! Gehorsamste
Vorstellung und Bitte des Advocaten Grabbe als Mandatars
der Caroline Köler in Halle und resp. der Wilhelmine Köler
in Mietau, Bitte um Pensionsauszahlung enthaltend.“ 2 Bl.
3.Exp. 21. Febr. 1827. „An Wohllöbliches Amt Lage! Klage des
Advocaten Grabbe in Detmold als Mandatar der Demoiselle
Caroline Köler in Halle, Klägers, g[e]g[en] die Wittwe Sültemeier

[Bd. b5, S. 505]

 


auf dem Sültehofe in der Bauerschaft Heiden, Verklagtin,
pto rückständiger Zinsen.“ 2 Bl.
4.Exp. 14. März 1827. „An W. Amt Lage! Reproductiv-Receß
des Advocaten Grabbe in Detmold, als Mandatars der Dem.
Caroline Köler in Halle, Klägers, gegen die Wittwe Colon Sültemeier
nr 2 der Bauerschaft Heiden, Beklagtin pto rückständiger
Zinsen.“ 1 Bl.
5.Exp. 3. April 1827. „An Wohllöbliches Amt Lage! Reproductiv-Receß
des Advocaten Grabbe p. / Col. Sültemeier“. 1 Bl.
6.Exp. 2. Mai 1827. „An Wohll. Amt L[a]ge! Reproductiv-Receß
des Advocaten Grabbe ./“. 1 Bl.
7.Exp. 27. Nov. 1827. „An Wohllöbliches Amt Lage! Grabbe pp
ge[ge]n Wittwe Col. Sültemeier nr. 2 der Bauerschaft Heiden“.
1 Bl.
8.23. Juli 1829. Wohl an die Rentkammer. Pensionseinforderung
betr. 2 Bl.
9.o.O.u.D. noch sonstigen Vermerk. Bruchstück. 1 Bl.
  Diese Sammlung von Schriftstücken ist, als das Grabbe-Archiv
begründet worden war und die alten Bestände der Lippischen Landesbibliothek
an Handschriften Grabbes mit ihm vereinigt wurden,
nicht mehr vorgefunden worden und auf eine bisher unerklärbare
Weise verschwunden. Jedoch hat sich der Bearbeiter vor Jahren
Abschriften davon herstellen können, die nun dieser Ausgabe zur
Grundlage dienen müssen. Für einen vollständigen Abdruck kommen
dabei nur die beiden Schreiben Clostermeiers in Betracht (vgl. Verweis zum Kommentar Nr 114
und Verweis zum Kommentar 115); bei den eigenhändigen Entwürfen Grabbes die überdies
zumeist sehr flüchtig geschrieben sind, genügt ein Resumé, das jenen
zur Erläuterung dient.
  Folgendes geht aus ihnen hervor: Sieben Jahre lang, vom Januar
1819 bis zum April 1826, hatte Louise Clostermeier die Rechnungen
der Dem. Koeler geführt; dann wurde, auf des Archivrats Veranlassung,
Grabbe mit der Leitung ihrer Angelegenheiten betraut. Ihm
erwuchsen daraus zwei Aufgaben. Er mußte einmal für Dem. Koeler
und deren unverheiratet in Mitau lebende Schwester Wilhelmine bei
der Fürstlichen Rentkammer in Detmold rückständige Pension anfordern,
und er mußte ferner die Witwe des Kolons Sültemeier,
die Besitzerin des Sültehofs in der Bauerschaft Heiden, auf dem
seine Auftraggeberin Kapitalien stehn hatte, für die schon seit
geraumer Zeit keine Zinsen gezahlt waren, zur Erfüllung ihrer
Verpflichtungen veranlassen. Während jenes ohne Schwierigkeiten
zu erledigen war, stieß Grabbe bei Verfolg der zweiten Angelegenheit
auf um so erheblichere. Die Witwe Sültemeier mußte verklagt,
ihr mußte Zwangsvollstreckung angedroht werden, und als auch das
nichts half, wurde diese vollzogen. Dies geschah während der ersten
Hälfte des Jahres 1827. Am Ende des Jahres scheint sich dieser
Vorgang wiederholt zu haben. Am 1. November hatte die Schuldnerin
die fälligen Zinsen abermals nicht berichtigt, sodaß Grabbe
abermals das Amt Lage um Vermittlung angehn und um Androhung
des Gerichtszwangs bitten mußte. Außerdem kündigte er nun
das Kapital. Ueber den weiteren Verlauf der Sache liegen keine
Schriftstücke vor, und dies hängt vielleicht damit zusammen, daß

[Bd. b5, S. 506]

 


Grabbe durch Krankheit genötigt war, sie abzugeben; „meine Gesundheit
ist so elend beschaffen“, schreibt er der Dem. Koeler im
letzten der undatierten Briefentwürfe, „(ich leide z. B. am Bluthusten),
daß ich Ihre Geschäfte wohl nicht weiter werde führen
können.“ Er empfahl, dazu den Kriminalsekretär Friedrich Althof
in Detmold zu wählen. (Eine Störung der Gesundheit bekundet
auch der zweite Briefentwurf, der mit folgendem Satze beginnt:
„Eine geringfügige Augenentzündung, die mir aber einige Tage hindurch
die möglichste Schonung gebot, hinderte mich Ihnen eher zu
schreiben und erlaubt mir auch jetzt noch nicht auf Eleganz der
Buchstaben zu sehen.“)
  Grabbe hatte, von diesen beiden Aktionen abgesehn, auch den
Auftrag bekommen, in Göttingen Nachforschungen wegen eines in
Surinam verstorbenen Erblassers anzustellen. Dies lehnte er jedoch
ab, mit der Begründung, daß er in dieser Universitätsstadt „nur
Leute kenne, die, gleich den meisten Studentenbekanntschaften, zu
nichts weniger als solchen Geschäften taugen,“ und er nicht annehmen
dürfe, daß die Sache von Detmold aus wirklich gründlich
betrieben werden könne.
  Der Entwurf eines Schreibens Grabbes an das Amt Lage in Sachen
der Demoiselle Caroline Koeler, expediert am 19. Dezember 1827,
befindet sich in der StLBD (Nr 1514).

S. 140, Z. 26 f.: Demoiselle Caroline Koeler: Es handelt sich
um Friederike Caroline, die am 18. Dez. 1789 geborene Tochter
des aus Göttingen gebürtigen Rektors Georg David K., der als
erster Lehrer an der Provinzialschule zu Detmold am 19. März 1818
in einem Alter von 60¼ Jahren gestorben war. Diesem hatte seine
Frau Adelaide Maurillon aus Braunschweig außer den genannten
noch eine Reihe anderer Kinder geboren: Friedrich Christian (geb.
30. März 1788), Friedrich Ludwig (geb. 7. Aug. 1791), Rahel Sophie
Louise (geb. 2. Sept. 1793), Friederike Charlotte (geb. 25. April
1795) und die Zwillinge August Christian Ferdinand und Sophie
Wilhelmine Adelaide (geb. 14. Jan. 1798), die der Mutter noch am
selben Tage das Leben gekostet hatten.