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Nr. 262, siehe GAA, Bd. V, S. 297nothumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Karl Gottfried Theodor Winkler (Dresden)
Brief

25        Hochgeehrtester Herr Hofrath!

  Ihrerseits bitt' ich um Verzeihung für diesen nachlässig hingeschrieben
scheinenden Brief, denn ich habe beim Umsturz
eines Schlittens meinen linken Arm total gebrochen, und wird
mir derselbe, da er mir zur Last wird, schon höchst zuwider,
30— meinerseits Dank für die Anzeige des Barbarossa in der
Abendzeitung, und zwar großen. Schon früher hätt' ich ihn
abgestattet, aber Journale sieht man hier nur dann, wenn sie
6 Monate schon erschienen sind.

  Ich kann's nicht lassen mein Herz zu lüften: Sie kennen den
35Goethe persönlich — — er ist klug und ungeheuer eitel —
furchtbar! — Ich lese eben erst den Briefwechsel zwischen ihm
und Schiller, und, auf mein Wort, er schmerzt mich mehr als

[GAA, Bd. V, S. 298]

 


mein Arm. Hat Goethe dessen Herausgabe befördert — nun!
— Der arme, nicht Menschen, nicht Hof, nicht Welt kennende
Schiller, der übersichtigere Goethe, sonst nicht viel besser oder
geistreicher — Und läßt die an ihn gekommenen Briefe
5publiciren!

  Ich möchte darein zu schlagen versuchen, aber es ist sehr
nützlich auch die Schwächen großer Geister zu sehen. Ob der
Goethe am Ende auch das bezweckt hat? Seine Anhänger
müssen es sagen. Dies bloß meine Herzensergießung, denn
10persönlich bin ich weder Goethe noch Schiller böse.

  Hochachtungsvollst

                    Ewr Wohlgeboren
gehorsamster Grabbe (Auditeur).

  Detmold den 16t Febr. 1830.

 


262.

H: Doppelbl. in 40; 3 S.
F: Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg.
D: Hermann Uhde-Bernays: Grabbe und Goethe. (In: Das literarische
Echo. Jg. 4. H. 5. Dez. 1901. Sp. 301—303.) Sp. 302—303.

S. 297, Z. 30: in] beim Wechsel der Zeile versehentlich wiederholt
H

S. 297, Z. 30 f.: die Anzeige des Barbarossa in der Abendzeitung:
Sie stammt aus der Feder Böttigers selbst, ist in Nr 79 des „Wegweisers
im Gebiete der Künste und Wissenschaften“, Beilage zu
Nr 237 der „Abend-Zeitung“, vom 3. Oktober 1829, S. 313—14
enthalten und im ganzen sehr anerkennend.
  Wiederabgedr. in: „Grabbes Werke in der zeitgenössischen Kritik“,
hrsg. von Alfred Bergmann, Bd 3, Detmold 1961, S. 24—27, unter
Nr 5.
S. 297, Z. 36 f.: Ich lese eben erst den Briefwechsel zwischen ihm
und Schiller: Grabbe hat von der Öffentlichen Bibliothek zu Detmold
am 16. Juni 1830 den fünften und sechsten, am 23. Juni den
vierten, am 21. Juli den zweiten und dritten und am 4. August den
ersten Teil entliehen.

[Bd. b5, S. 611]