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Nr. 306, siehe GAA, Bd. V, S. 334nothumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Christian von Meien (Detmold)
Brief


Hochgeehrtester Herr

      Regierungsrath!

  In der Untersuchung gegen die Lemgoer Aufrührer, halte
30ich es für Pflicht, immer sobald als möglich Nachricht zu
geben, und das Möglichste zu thun. Es ist nicht, weil ich die
immer sichtbarer werdende Dummheit der Leute (welche
eigentlich den Namen „Narren“ so gut verdienen als „Rebellen“
) mit zu großen Augen betrachte, sondern weil sich grade
35in ihrer grundlosen, gegen ihre eigenen Interessen laufenden
Widersetzlichkeit derselbe Revoltegeist äußert, der von Paris
aus in wenigen Wochen sogar die Tscherkassen ergriffen hatte.

  Gestern sind alle Leute bei denen es nöthig war noch einmal
verhört, denn mit Einigen war man im Klaren, — die

[GAA, Bd. V, S. 335]

 


erfoderlichen Confrontationen sind angestellt, — nun kommt
aber der p Schmuck mit seiner Anschuldigung gegen Falkmann,
— ob, da bei Schmuck von den Empörern getrunken
ist, es nicht heißen kann

5            wer sich entschuldigt, eh' man klagt,

sey dahin gestellt, — heute Morgen wird er verhört, aber
falle es aus wie es wolle, der Mann zieht die Sache und den
Bericht bis Morgen in die Länge. Sollte er weitere Untersuchungen
machen, so schicke ich Ihnen auch vor dem Berichte
10Morgen früh alle Protocolle s. p. r. Bis jetzt hat mein Schreiber
sie nicht alle abschreiben können.
                         Hochachtungsvollst
Detmold d. 16t Mai    
            1831.                        gehorsamst Grabbe.

 


306.

H: Doppelbl. in 20; 3 S.
F: Acta die unter den am 10ten Mai 1830. von Lemgo nach
Detmold detachirten Soldaten Statt gehabten tumultuarischen und
subordinationswidrigen Auftritte betr. 1830 (In: Acta die Excesse
der Soldaten betr. Vol: XIV. 1830—1832. StAD. L 77 C Fach 54.
M. Nr 1 XIV. Nr 170a.) Nr 5.


  Dem Briefe liegt ein Vorfall zugrunde, der sich am 10. Mai 1831
in Detmold zugetragen hat. Detachements der 2., 3., 4. und 5.
Kompagnie waren unter dem Kommando des Premierleutnants
Krücke und des Sekondeleutnants Falkmann von Lemgo nach Detmold
gesandt worden, um Tschackos und (ledige) Tornister zu holen.
Dabei hatten sich Fälle von Insubordination gegen Unteroffiziere
und Offiziere ereignet, die z. T. auf Trunkenheit zurückzuführen

[Bd. b5, S. 639]

 


waren. Die Regierung sah zwar im Verlaufe der Untersuchung die
Verschuldung der Tumultuanten in einem milderen Lichte als zu
Beginn, stellte die zehn Angeklagten aber doch vor ein Kriegsgericht.
Unterm 21. Juni 1831 wurden sie zumeist zu mehrmonatigem
Werkhausarrest verurteilt.


  Die Sache komplizierte sich anfangs durch ein Schreiben des Mechanikus
Wilhelm Schmuck an den Regierungsrat v. Meien vom
15. Mai 1831, in dem der Leutnant Falkmann als der eigentliche
Schuldige hingestellt, von den Leuten aber gesagt wird, daß nicht
wirklich böser Sinn sie beseelt habe. Schmuck fand später Bedenken,
sich mündlich vernehmen zu lassen, und gab dafür unterm 17. Mai
1831 eine schriftliche Erklärung ab, die jedoch unterm 21. Mai
reponiert wurde.