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Nr. 347, siehe GAA, Bd. V, S. 364thumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Georg Ferdinand Kettembeil (Frankfurt a. M.)
Brief

Handschrift Lieber Kettembeil,

15  Meseritz kann die Recension in die Hallische Literaturzeitung
selbst machen. Er bekommt das Honorar dafür, braucht
sich nicht anzustrengen, und Selbstloben will ich nicht. Habe
es seit Jahren satt. Sorge, daß er was thut. — Von Kosciusko,
dem Quaste, sind 1½ Act fertig, aber nicht Polen, sondern
20Rußland spielt, wie ich ahnte, die Rolle. Auch ist das Ding
gut und ernst. — Aber meine innere Lage — Gott oder
die Welt und ihr Geist seyen mir gnädig und ich ihnen! So
oder so — Ostern seh' ich sonst ganz gewiß nicht
mehr, ja Neujahr nicht, wenn ich nicht durch Kampf zu
25siegen hoffte.

  Ich bin auch dabei einen Roman zu schreiben, in dem ich
alles auslasse, was ich fühle, denke, gefühlt, gedacht habe, und
was piquant und zeitgemäß ist. Kann ich ihn vollenden, könnte
ihm, soviel heute Bücherwirkung möglich ist, diese nicht
30fehlen.

  Wenn die Russen in sich eins bleiben, verhält sich dieses
Reich zu dem übrigen Europa, wie einstens der Norden zu den
kleinen italiänischen Staaten im Mittelalter.

  Börnes Briefe kenne ich nicht. Er ist ein Narr, der Handschrift sich
35nicht genug anerkannt glaubt, und Onanie ist ein schlechter
Trost.

  Ich glaube Dir, daß Raupach so übel nicht ist. Er ist kein
gewöhnlicher Poetenjünger mehr. Er ist Fabricant, und
mit solchen Leuten ist besser Umgehen als mit Dichterlingen.

[GAA, Bd. V, S. 365]

 


  Dieß auf Deinen Brief. Dabei: kannst Du mir nicht einen
kleinen, aber netten goldnen Ring schaffen? Geht's nicht,
so laß es. Auch habe ich hier Bekannte, die gern die neuesten
wichtigsten, besonders politischen Erscheinungen, kauften.
5Melde mir doch solches Zeugs mit billiger Rabatts-Anzeige,
und ob es von Dir zu beziehen sey.

  Und antworte mir bald. Ich bedarf einer Antwort.

  Detmold den

  28st Dec. 1831.

10  Habe ich Dir schon geschrieben, daß der Immermann neulich
hier war, und mich besah? Ich sah aus wie alte Meubles,
denn die besieht man.

 


347.

H: 1 Bl. in 40; 2 S.
  Auf S. 2 Vermerk des Empfängers: 1831 Grabbe in Detmold
den 28 Decbr.
F: GrA
D: WBl IV 472—73, als Nr 40.

S. 364, Z. 26: ich] fehlt H

S. 364, Z. 15 f.: Meseritz kann die Recension in die Hallische
Literaturzeitung selbst machen: Diese Zeitschrift hat wohl (in Nr 33
des „Intelligenzblattes“ vom Mai 1831, Sp. 269—70) eine Anzeige
des „Napoleon“ gebracht, aber nachher keine Besprechung.
S. 364, Z. 26—30: Ich bin auch dabei einen Roman zu schreiben:
Von diesem ist nichts bekannt.
S. 364, Z. 34: Börnes Briefe: aus Paris. Die erste Abteilung aus
den Jahren 1830 und 31 bildet den neunten und zehnten Teil von
Börnes „Gesammelten Schriften“ (Hamburg, bei Hoffmann & Campe).

[Bd. b5, S. 660]

 


Sie tragen die Jahreszahl 1832; jedoch muß zum mindesten der
erste Teil schon am Ende des vorhergehenden Jahres vorgelegen
haben.
S. 365, Z. 10—12: Habe ich Dir schon geschrieben [usw.]: Siehe
„Grabbe in Berichten seiner Zeitgenossen“, hrsg. von Alfred Bergmann.
Stuttgart, Metzler 1968. S. 85—87, unter Nr 65.