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Nr. 459, siehe GAA, Bd. VI, S. 82nothumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Louise Christiane Grabbe (Detmold)
Brief


Luzie, was machst Du, sei nicht toll, Du bist ja mein liebes,
liebes Weib. Es ist ja alles nur Scherz! Luzie, komm wieder,
sieh, ich empfange Dich mit offnen Armen. Mach' keine
20unbesonnene Dinge, mach' mich und Dich nicht unglücklich.
Luzie, ich erwarte Dich.

[Detmold, Sommer 1834.]

 


459.

H: nicht bekannt.
D: Ziegler S. 126.
  Der Text bildet einen Teil der folgenden Schilderung Zieglers:
  „Mochten solche häusliche Auftritte mitunter auch einen lächerlichen
Charakter annehmen, so hatten sie doch immer viel Beschämendes
für ihn [Grabbe].
  So wanderte er eines Abends, nachdem einmal wieder Streit
entstanden und seine Frau vor ihm aus dem Hause geflohen war,
Trepp auf, Trepp ab, um sie aufzusuchen, indem er rief: Ich weiß,
wo sie ist, sie ist wieder im Hause, aber hinaus mit ihr! Denn wer
ist Herr? ich bin Herr im Hause! Als er sie nicht fand, stellte er
vor alle Thüren Hölzer, damit es Geräusch gebe, wenn sie hervorkomme,
und setzte sich auf die Treppe unter fortwährenden Drohungen.
Das ging am Abend fort, bis er über dies Treiben ermüdet

[Bd. b6, S. 435]

 


sich zum Schlafen in sein Gemach zurückzog. Am andern Morgen
fing er wieder damit an, sobald er aufgestanden war und ging
wieder im Hause umher, stellte Hölzer an die Thüren und setzte
sich auf die Treppe, indem er wiederholt ausrief: sie ist wieder
darin, ich will sie schon fangen.
  Während Grabbe sich so im Hause herum bewegte, hielt sich
seine Frau oben auf einer Bodenkammer auf. Als sie nämlich auf
die Straße hinausgerannt, war sie einer Freundin begegnet und
nachdem sie von dieser zur Besonnenheit zurückgerufen worden
durch die Vorstellung, daß sie ja leicht ihren Mann überlisten
könne, dessen Toben im Grunde ja doch nur Scherz sei, war ihr
das Lachen zwischen die Thränen gekommen, sie hatte sich leise
ins Haus zurückbegeben und auf der Bodenkammer versteckt. Und
sie rächte sich nun durch folgende Comödie, welche sie mit der
Magd [Sophie Moeller] ausgesonnen. Letztere ward nämlich in
die Stadt geschickt und als sie wieder kam, erzählte sie fast außer
Athem: Gott, Herr Auditeur, wie erschreckt bin ich! Als ich über
die Straße nach der Post gehe, begegnet mir Ihre Frau in Reisekleidern
und sagt mir, daß sie eben im Begriff wäre, sich auf
die Post zu setzen und nach Mannheim zu ihren Verwandten zu
fahren; sie wäre gestern von Ihnen aus dem Hause gejagt, das
könne sie nicht verschmerzen. Kaum hatte Grabbe dies gehört, so
sprang er vom Sitze auf: Wie, meine Frau, was? wo? nach Mannheim?
ist sie denn verrückt! Nein, das darf sie nicht, das soll sie
nicht. Wart, einen Augenblick. Und er griff sogleich nach Feder
und Papier und schrieb schnell einen Brief nieder. [Hier folgt
dessen Wortlaut.] Dieses Schreiben wurde seiner Frau zugeschickt
und ihr natürlich auf die Bodenkammer getragen, von welcher sie
sich nicht entfernt hatte. Sie kam dann im Reisemantel zu ihrem
Gatten ins Zimmer und als sie nun so erschien, ging er ihr entgegen,
gab ihr die Hand und bat um Verzeihung und eine Versöhnungsscene
erfolgte. Sobald diese beendigt war, konnte die Frau
Auditeurin den Hohn über ihn, der immer in ihr aufquoll, sobald
sie ihn düpirt, nicht länger unterdrücken und sie platzte lachend
damit hervor, wie sie ihn betrogen und aus seiner Leichtgläubigkeit
Vortheil gezogen. Noch oftmals mußte sich Grabbe daran erinnern
lassen, indem ihm der von ihm geschriebene Brief vorgehalten
ward, wenn er auch jedesmal ein ernstes Gesicht machte und tief
beleidigt war.“ (S. 124—27.)