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Nr. 494, siehe GAA, Bd. VI, S. 121nothumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Düsseldorf) an Karl Leberecht Immermann (Düsseldorf)
Brief

                    Hochgeehrtester Freund!

Hierbei Struensee, Plutarchs 2ter, Shakspeares 16. Bd. mit
30Dank zurück. Dito die Iliade. Die beiden gesuchten Verse
stehen lib. 6, 648—49. Der Struensee interessirt mitunter,
aber welch ein Wortschwall, welche flache Bilder und Sentenzen,
welche Einflickereien (z. B. die Prophezeihung bis
auf den heutigen Tag) — die simplen Untersuchungsacten,
35so weit man sie kennt, sind interessanter. Ich habe sie einmal
(in Schlözers Briefwechsel oder Staatsanzeigen, irr' ich nicht,)
gelesen. Struensee war ein emporgekommener Strudelkopf,
verletzte wirklich manche Rechte, beizu auch Gutes begründend,
und sein Verhältniß zur Mathilde — Warum sperrte

[GAA, Bd. VI, S. 122]

 


der König von England sie zeitlebens in Celle ein? — Im
Shakspear haben wir uns (hoffentlich nicht in seinem Geist)
im Bande vergriffen. Der zurückerfolgende enthält statt Hamlets
Cymbelin und Tit. Andronicus. Was die Kerle in den
5Noten da streiten, der letztere sey nicht von ihm, grade mit
Gründen, die sie selbst treffen. Ist er ein paar Jahr älter als
Heinr. VI, gut, deshalb ist er auch unbedeutender, — sind
die Verse so glatt, — gut, das sind sie ja eben in allen früheren
Stücken, je weiter zurück je glätter, — fehlt die Comik,
10fehlt sie verhältnißmäßig in Heinr. VI, Richard dem III nicht
auch? und da drang sie der nationale Stoff auf, hier aber
ist das kalte Byzantinische der Stoff, — pikante Züge sollen
mangeln, und sie deuten selbst auf die des Mohren hin p. p.
p. p. — Den alten Hamlet übersetz' ich also. Gut. Wir
15müssen aber sprechen: wie? Ich denke ganz in seiner vorliegenden
Form, ohne Scenerie, ohne Seitenzahl, ohne Verbesserung
der Orthographie in fremden Namen, ohne Milderung
der Versform, aber verständlich. — Ihr Schreiben wegen
der Bücher zum Hannibal kann ich erst morgen benutzen,
20wann die Festtage vorbei sind. Mittlerweile ist dagegen morgen
Abend Aschenbrödel fertig und ziemlich umgearbeitet, und
macht Ihnen übermorgen einen Knicks, denn ich hab's bis
dahin noch durchzulesen.

                                
25Grabbe.

Düsseldorf, 26 Dec. 1834.

[Adresse:] Sr Wohlgeboren dem Herrn Oberlandesgerichtsrath
K. Immermann. (Mit 1 Mscrpt u. 4 Bdd. Bücher.)

 


494.

H: Doppelbl. in 40; 2S., auf S. 4 die Adresse.
F: JW Bl. 24. 25. (22. 23.)

S. 122, Z. 2: wir] beim Wechsel der Zeile versehentlich wiederholt
H
S. 122, Z. 10: dem] den H

S. 121, Z. 29: Struensee: Trauerspiel in fünf Aufzügen von
Michael Beer. „Zum Erstenmale dargestellt auf dem königlichen
Theater zu München, den 27. März 1828.“ (Stuttgart u. Tübingen,
Cotta 1829.)
S. 121, Z. 29: Plutarchs 2ter: In seinem Briefe vom 22. Dezember
hatte Grabbe von Immermann u. a. eine Übersetzung des
Plutarch, nämlich der „Vitae parallelae“, erbeten. Es ist wohl anzunehmen,
daß Immermann diesen Wunsch aus seiner eigenen Bibliothek
befriedigt hat. Nach einer Auskunft der Nationalen Forschungsund
Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar,
die sich auf das Verzeichnis der Bibliothek Immermanns (Nr 116
von dessen Nachlaß) sowie auf das „Erste Verzeichnis von ca. 5000
Bänden ... zum Teil aus der Immermannschen Bibliothek, welche
Montag, den 11. Oktober 1841 ... durch P. Roschütz & Comp.,

[Bd. b6, S. 462]

 


Buch- und Antiquariatshandlung in Düsseldorf ... versteigert werden
“, stützt, hat der Dichter außer „Plutarchi vitae parallelae
Alexandri et Caesaris“ (Halle, Gebauer 1804) die Kaltwasser'sche
Übersetzung besessen. (Des Plutarchus von Chäroneia vergleichende
Lebensbeschreibungen. Aus dem Griechischen übers. mit Anmerkungen
von Joh. Friedr. Sal.[omon] Kaltwasser, Professor am Gymnasium
in Gotha. Th. 1—10 nebst vollständigem Register. Magdeburg,
Keil 1799—1806.) Der zweite Teil dieses Werkes (1800)
enthält: 1. Themistokles. 2. Camillus. 3. Perikles. 4. Fabius Maximus.
— Vergleichung des Perikles mit dem Fabius Maximus. 5.
Alkibiades. 6. Cajus Marcius Coriolanus. — Vergleichung des Alkibiades
mit dem Coriolanus.
S. 121, Z. 30: Die beiden gesuchten Verse:
  „Einst wird kommen der tag, da die heilige Ilois hinsinkt,
  Priamos selbst, und das volk des lanzenkundigen königs.“
  Grabbe hat sie der Schlußszene seines „Hannibal“ eingefügt.
S. 121, Z. 33 f.: die Prophezeihung bis auf den heutigen Tag:
In V,9: Kurz vor seinem letzten Gange sieht Struensee in einer
Vision die französische Revolution mit ihren Schreckensszenen, die
„starke Hand“ Napoleon Bonapartes, dessen „einsam Grab“ am
brausenden Meere und die Heilige Allianz. (S. 247—48.)
S. 121, Z. 36: in Schlözers Briefwechsel oder Staatsanzeigen,
irr' ich nicht: Grabbe muß sich doch wohl irren. Denn was in den
angegebenen Publikationen zu finden war, ist lediglich folgendes:
In Teil 1, Heft 4 von Schlözers „Briefwechsel meist historischen u.
politischen Inhalts“ (4. Aufl., Göttingen 1780) steht auf S. 255
eine biographische Skizze Struensees. In Bd 6, Heft 21 der „Stats-Anzeigen“
vom Jahre 1784 findet sich unter Nr 9 und der Überschrift:
„Aus Dänemark, ältere Vorfälle“ ein Beitrag über den
Grafen Johann Hartwig Ernst von Bernstorff und im Anschlusse
daran (S. 92—93) eine „Nachschrift des Hrn. Einsenders, vom
9. Jun. 1783“. Diese schließt mit den Worten: „[...] und —
diesen Mann, verlangte der neue Graf Struensee unter seinem
Commando zu haben? — über diesen Mann wollte er gesetzt
seyn, so daß Bernstorff, der als StatsMinister immediate unter
dem Könige gestanden hatte, nachher unter ihm, Struensee,
stehen sollte? ....“ Ferner wird in Bd 12, Heft 47 der „Stats-Anzeigen“
vom Jahre 1788 (in Nr 41: „Ueber den Schwedisch-Dänischen
Krieg“) auf S. 370 konstatiert, daß Struensee die Pensions
eingezogen habe, „die Dänemark unter Bernstorff an Schweden
bezalte, um die alte Constitution aufrecht zu erhalten“.
S. 122, Z. 1—3: Im Shakspear haben wir uns ([...]) im
Bande vergriffen [usw.]: Das im Nachlasse Immermanns (den
das GSA verwahrt) vorhandene Material erlaubt es nicht, mit
Sicherheit festzustellen, welche Ausgabe oder Ausgaben Shakespeare's
der Dichter besessen hat. Eine deutsche Übersetzung
kommt nicht in Frage. Es gibt nur wenige, die mindestens sechzehn
Bände umfassen (1. „Schauspiele“, übers. von Johann Joachim
Eschenburg. Neue verb. Aufl. [Veranstaltet von Gabriel
Eckert, Professor in Mannheim.] Bd 1—24. Mannheim 1780—83.
— 2. „Schauspiele“, frei übers. von Meyer. Bdch. 1—29. Gotha
1824—31. — 3. „Dramatische Werke“, übers. von I. W. O. Benda.

[Bd. b6, S. 463]

 


Bd 1—19. Leipzig 1825—26. — 4. „Sämmtliche Werke“, ins
Deutsche übers. Bdch. 1—43. Wien, Sollinger 1825—27.), in keiner
von ihnen aber enthält der sechzehnte Band die von Grabbe
genannten Werke. Von den in Betracht zu ziehenden, bis 1835
erschienenen englischen Ausgaben sind einige an den westdeutschen
Bibliotheken überhaupt nicht oder nur unvollständig nachzuweisen.
Die übrigen scheiden aus bis auf zwei, bei denen es sich aber im
Grunde um ein und dieselbe Ausgabe handelt, nur daß die eine
in Deutschland, die andere in England verlegt ist. Es sind: 1.
„The Plays“, accurately printed from the text of Mr. [George]
Steevenss last edition, with a selection of the most important
notes. Vol. 1—20. Leipsick: printed for Gerhard Fleischer the
younger 1804—13. — 2. Derselbe Titel. Vol. 1—20. London:
printed for Billy Jones 1826. Der sechzehnte Band der ersten
Ausgabe trägt das Erscheinungsjahr 1810. Nach einer Auskunft
des Goethe- und Schilller-Archivs zu Weimar hat sich im Nachlasse
Immermanns, außer einer neunbändigen Übersetzung der
Werke Shakespeares durch Schlegel und Tieck, eine zwanzigbändige
Ausgabe ohne Angabe des Übersetzers und des Erscheinungsjahres
befunden. Da es vor 1835 erschienene englische Ausgaben, die mit
zwanzig Bänden vollständig sind, nur wenige, eine solche deutsche
Übersetzung aber überhaupt nicht gibt, so hat es gewiß viel
Wahrscheinlichkeit für sich, daß der Dichter eine der beiden angeführten
Editionen besessen hat. In beiden füllen die „Notes to
Titus Andronicus“ die S. 322—60. In diesen Anmerkungen kommen
verschiedene Gelehrte zu Worte, welche die Verfasserschaft Shakespeares
am „Titus Andronikus“ bestreiten. Malone argumentiert:
„the high antiquity of the piece, its entry on the Stationers'
books, and being afterwards printed without the name of our
author, its being performed by the servants of Lord Pembroke,
&c. the stately march of the versification, the whole colour of
the composition, its resemblance to several of our most ancient
dramas, the dissimilitude of the style from our author's undoubted
compositions, and the tradition mentioned by Ravenscroft, when
some of his contemporaries had not been long dead, ([...]) all
these circumstances combined, prove with irresistible force that
the play of Titus Andronicus has been erroneously ascribed to
Shakspeare.“ Theobald bezieht sich auf Ben Jonsons Zeugnis in
der Einleitung zu seinem, zuerst 1614 erschienenen Werke „Bartholomew
Fair“, wonach „Titus Andronikus“ damals seit 25 oder
30 Jahren vorgelegen haben müsse. Die Tragödie müsse also aufgeführt
worden sein, bevor Shakespeare Warwickshire verließ und
nach London kam; man habe jedoch nie etwas davon gehört, daß
er sich der Bühnen-Schriftstellerei zugewandt habe, ehe er sich
mit den Schauspielern verbunden habe und einer der ihren geworden
sei. Unbestreitbar sei, daß Shakespeare später das Stück,
in seiner meisterhaften Schreibweise vermehrt, von neuem auf die
Bühne gebracht habe; auf diese Art sei vermutlich sein Name
daran haften geblieben. Die Diktion im allgemeinen, sofern Shakespeare
sich nicht die Mühe genommen habe, sie zu heben, liege
noch unter den drei Teilen von 'Heinrich VI.' [dieser Fehler in
beiden Ausgaben].“ Danach kommt Johnson zu Worte. „All the

[Bd. b6, S. 464]

 


editors and criticks“, so ist seine Ansicht, „agree with Mr. Theobald
in supposing this play spurious. I see no reason for differing
from them; for the colour of the stile is wholly different
from that of the other plays, and there is an attempt at regular
versification, and artificial closes, not always inelegant, yet seldom
pleasing. The barbarity of the spectacles, and the general massacre,
which are here exhibited, can scarcely be conceived tolerable to
any audience; yet we are told by Jonson, that they were not
only borne but praised. That Shakspeare wrote any part, though
Theobald declares it incontestible, I see no reason for believing.
  The testimony produced at the beginning of this play, by which
it is ascribed to Shakspeare, is by no means equal to the argument
against its authenticity, arising from the total difference of conduct,
language, and sentiments, by which it stands apart from all
the rest.“ Weiterhin führt der Verfasser aus, der Umstand, daß
Shakespeares Name auf dem Titelblatte des Werkes stehe, sei
nicht von großem Gewicht. Denn alle die Schauspiele, die von
den ersten Sammlern von Shakespeares Werken verworfen, in die
späteren Ausgaben aufgenommen und von den kritischen Herausgebern
wieder ausgeschieden worden seien, trügen Shakespeares
Namen auf dem Titel, und zwar, wie wir annehmen müßten,
infolge der Betrüglichkeit der Drucker, die sich nach Belieben
irgend einen berühmten Namen hätten aneignen können. Auch die
Entstehungszeit könne man nicht als Argument gegen die Verfasserschaft
Shakespeares verwenden. Ravenscroft, der unter der
Regierung Jakobs II. (1685—1688) das Stück revidiert und von
neuem auf die Bretter gebracht habe, berichte uns in seiner Vorrede,
vermutlich auf Grund einer Theater-Überlieferung, die zu
seiner Zeit genügend Beweiskraft gehabt haben möge, daß es
stellenweise von Shakespeare retuschiert, aber von einem anderen
Dichter geschrieben sei. Sehr unterscheidbar könne er Shakespeares
Verbesserungen nicht finden. Farmer erklärt, jeder vernünftige
Grund spreche dafür, daß Shakespeare nicht der Autor des Stückes
sei. Steevens führt Folgendes aus:
  „I have already given the reader a specimen of the changes
made in this play by Ravenscroft, who revived it with success
in the year 1687; and may add, that when the Empress stabs
her child, he has supplied the Moor with the following lines:
  'She has autdone me, ev'n in mine own art,
  'Outdone me in murder, kill'd her own child,
  'Give it me, I'll eat it.'
  It rarely happens that a dramatick piece is altered with the
same spirit that it was written; but Titus Andronicus has undoubtedly
fallen into the hands of one whose feelings and imagination
were congenial with those of its original author.
  In the course of the notes on this performance, I have pointed
out a passage or two which, in my opinion, sufficiently prove it
to have been the work of one who was acquainted both with
Greek and Roman literature. It is likewise deficient in such internal
marks as distinguish the tragedies of Shakspeare from those
of other writers; I mean, that it presents no struggles to introduce
the vein of humour so constantly interwoven with the

[Bd. b6, S. 465]

 


business of his serious dramas. It can neither boast of his striking
excellencies, nor his acknowledged defects; for it offers not a
single interesting situation, a natural character, or a string of
quibbles from first to last. That Shakspeare should have written
without commanding our attention, moving our passions, or sporting
wtih words, appears to me as improbable, as that he should
have studiously avoided dissyllable and trissyllable terminations
in this play, and in no other.“ Steevens erinnert daran, daß die
Quarto von 1611 anonym, und daß „Titus Andronikus“ erst nach
Shakespeares Tode unter dessen Namen veröffentlicht worden sei,
und er bemerkt: wenn der Gebrauch bestimmter Worte, die in
keinem anderen seiner Stücke verwendet würden, als ein Beweis
gegen seine Verfasserschaft gelten könne, so könne man mehr als
eines finden. Mason schließlich stimmt mit den Kommentatoren
überein, welche der Meinung seien, daß Shakespeare an dieser
abscheulichen Tragödie unbeteiligt sei. Die Korrektheit, mit der
man sie gedruckt habe, betrachtet er als eine Art indirekten Beweises
(„a kind of collateral proof“) gegen seine Autorschaft. Die
echten Werke Shakespeares seien in einem verderbteren Zustande
auf uns gekommen als diejenigen irgend eines anderen Schriftstellers
seiner Zeit; die Folge zum Teil der Undeutlichkeit seiner
eigenen, kaum lesbaren Handschrift, zum Teil seiner völligen
Gleichgültigkeit, mit der er sie der Presse übergeben habe. Schwerlich
aber könne man annehmen, daß er mehr Mühe an die Veröffentlichung
dieses gräulichen Produkts gewandt habe, als an die seiner
edelsten Arbeiten. (S. 327, 354—59.)
S. 122, Z. 14: Den alten Hamlet: Die sogenannte „erste Quarto“
(Q 1), eine Ausgabe vom Jahre 1603. Von ihr hat sich nur ein, noch
dazu nicht ganz vollständiges Exemplar erhalten, das erst im Jahre
1825 entdeckt wurde. Der Titel lautet: The Tragicall Historie of
Hamlet Prince of Denmarke. By William Shake-speare. As it hath
beene diuerse times acted by his Highnesse seruants in the Cittie of
London: as also in the two Vniuersities of Cambridge and Oxford,
and else-where. At London printed for N. L. and Iohn Trundell.
1603.
  Die frühere Anglistik hat von der ersten Quarto des „Hamlet“
keine hohe Meinung gehabt. Man hielt sie für einen unberechtigten
Nachdruck, für ein Flickwerk, beruhend auf schlechten stenographischen
Vorlagen, auf unzuverlässigen Erinnerungen von Schauspielern
und Erfindungen von Lohnschreibern. Diese Ansicht hat noch Gerhard
Hering geteilt, als er seinen Aufsatz über „Grabbe und Shakespeare“
schrieb, der auf den S. 93—113 von Band 77 des „Shakespeare-Jahrbuchs“
vom Jahre 1941 abgedruckt ist. Darin kommt Hering auch
auf Grabbes Versuch zu sprechen, den Text der ersten Quarto zu
übersetzen, ein, wie er meint, mit Recht sehr schnell gescheitertes
Unternehmen; denn Grabbes philologischer Dilettantismus, der einen
Raubdruck für das Original gehalten habe, sei schwerlich zu überbieten.
Nimmt man aber Kenntnis von einem Aufsatz über „The
Readings of the first Quarto of Hamlet“, den Frank G. Hubbard
achtzehn Jahre vorher in den „Publications of the Modern Languages
Association of America“ (Vol. 38, 1923, S. 792—822) veröffentlicht
hat, so wird man finden, daß dieses Urteil ungerecht

[Bd. b6, S. 466]

 


ist. Zu Beginn seiner Untersuchung (S. 792) stellt nämlich der Verfasser
fest, daß die erste Quarto in neuerer Zeit bei der Forschung
an Ansehen gewonnen habe. Die Theorie der kurzschriftlichen Vorlagen
gelte im allgemeinen als aufgegeben, so daß die Auffassung,
es handle sich um einen Raubdruck, schnell an Boden verliere. Das
Ergebnis aber seines Vergleichs der Lesarten ist dies: vom Text des
„Hamlet“ gibt es drei, vom einander unabhängige Fassungen: die
erste liegt in der zweiten Quarto vor, die zweite in der ersten Folio,
die dritte in der ersten Quarto. Bei dieser handelt es sich nicht um
den verderbten Text einer anderen Version, vielmehr um einen originalen
und authentischen, der auf seine Art den wesentlichen „Hamlet“
biete, ebenso wie die beiden anderen Fassungen auf die ihre.
(S. 822.)
  Von dieser ersten Quarto erschienen im Jahre der Entdeckung
zwei Neudrucke, einer in England und einer in Deutschland, mit
dem Titel: The first Edition of the tragedy of Hamlet, by William
Shakespeare. London. Printed for N. L. and John
Trundell 1603. [Impressum des englischen Neudrucks:] Reprinted
at the Shakespeare Press, by William Nicol, for Payne and Foss,
Pall-Mall. 1825. [Impressum des deutschen Neudrucks:] Reprinted
for Ernst Fleischer, Leipsic. 1825.
  Eine Übersetzung des Monologs „Sein oder Nichtsein“ in der
ursprünglichen Fassung von Friedrich Steinmann (unter der Überschrift:
Hamlet's Monolog nach der ältesten Ausgabe des Trauerspiels
vom Jahre 1603) findet sich in der Nr 45 der „Rheinischen
Flora“ vom 19. März 1825, S. 177—78. Steinmann meint, es
scheine sich bei dieser Fassung um den Abdruck des zur Aufführung
gebrachten und zu diesem Zwecke gekürzten Manuskripts zu
handeln.
S. 122, Z. 18 f.: Ihr Schreiben wegen der Bücher zum Hannibal:
Dieses ist nicht bekannt.